Kooperation und Abschreckung

Venezuela ist zu einem weiteren Schauplatz des neuen Kalten Krieges zwischen den USA einerseits und Russland sowie China andererseits geworden. So treffen die US-Sanktionen gegen Venezuela auch russische Unternehmen, etwa das Erdölkonsortium Rosneft, das über 49,9 Prozent der Anteile an Citgo hält. Doch die Vermögenswerte der US-Tochter des venezolanischen Staatskonzerns PDVSA wurden durch die US-Administration gesperrt und sollen offiziellen Verlautbarungen zufolge dem selbsternannten »Übergangspräsidenten« Juan Guaidó übergeben werden. Im UN-Sicherheitsrat blockierten Moskau und Beijing wiederholt Resolutionsentwürfe Washingtons mit ihrem Veto, umgekehrt wirft die US-Administration den Kontrahenten vor, sich in Venezuela einzumischen. Es gebe eine »von Maduro erlaubte unrechtmäßige russische und kubanische Militärintervention«, behauptet auch der Putschist Guaidó am 13. April in der argentinischen Tageszeitung Clarín.

Die Kooperation zwischen Caracas und Moskau reicht bis in das Jahr 2005 zurück. Als Reaktion auf die Weigerung Washingtons, Ersatzteile für die 1983 von Venezuela erworbenen F-16-Kampfjets zu liefern, wendete sich der damalige Präsident Hugo Chávez Russland zu. Mit seinem Amtskollegen Wladimir Putin vereinbarte er 2006 die Lieferung von 24 Suchoi-Jagdflugzeugen. Zudem wurden die alten belgischen FAL- durch russische Kalaschnikow-Sturmgewehre ersetzt.

Schnell wurde das südamerikanische Land zum wichtigsten Kunden Moskaus in der Region. Das auf die Ausfuhr von russischen Rüstungsgütern spezialisierte Unternehmen Rosoboron­export teilte Ende März anlässlich der Eröffnung eines Trainingszentrums für die Piloten russischer Hubschrauber in Caracas mit, Venezuela habe durch die Waffenkäufe schnell die Fähigkeit aufgebaut, die Sicherheit des Landes zuverlässig zu verteidigen. Zu der gelieferten Ausrüstung gehörten demnach neben den Suchoi-Jägern moderne Militär- und Transporthubschrauber, Panzerfahrzeuge, Artillerie und ein modernes Luftabwehrsystem.

Im März landeten zwei russische Flugzeuge mit rund 100 Militärangehörigen an Bord in Caracas. Der Militärattaché der venezolanischen Botschaft in Moskau, José Rafael Torrealba Pérez, wies in diesem Zusammenhang zurück, dass es eine »russische Militärpräsenz« in seinem Land gebe. Die Spezialisten seien lediglich für die Umsetzung der »technisch-militärischen Zusammenarbeit« zuständig, Auch die Sprecherin des Außenministeriums in Moskau, Maria Sacharowa, verwies auf die bilaterale Kooperation. Die Uniformierten würden in dem südamerikanischen Land bleiben, »solange die venezolanische Regierung sie benötigt«. Das US-Portal Military.com merkte dazu am 8. April an, die beiden russischen Maschinen – eine Iljuschin Il-62 und eine Antonow An-124 – seien zuvor eingesetzt worden, um Truppen nach Syrien zu befördern.

Für den an der Staatlichen Universität Sankt Petersburg lehrenden Alexandr Kubischkin sind die russischen Militärs in Venezuela »ein Faktor der Abschreckung«. Der Nachrichtenagentur Sputnik sagte er Ende März, angesichts der von Washington unterstützten Putschpläne der venezolanischen Opposition gehe es darum, »das Gleichgewicht der Kräfte intakt zu halten«.

Wenige Tage später kursierten in verschiedenen Medien auch Nachrichten über die Entsendung von 120 chinesischen Offizieren nach Venezuela. Geng Schuang, der Sprecher des Außenministeriums in Beijing, wies diese zwar als falsch zurück, ließ in seinem Dementi allerdings einen gewissen Spielraum für Interpretationen. Die Volksrepublik ist vor allem in der Erdölindustrie Venezuelas präsent und unterstützt Caracas beim Wiederaufbau der oft maroden Anlagen. Die Zusammenarbeit auf militärischem Gebiet hält sich den bekannten Angaben zufolge in Grenzen.

Erschienen am 20. April 2019 in der Tageszeitung junge Welt