Konkurrenz in Caracas

Venezuelas Staatschef Nicolás Maduro könnte bei den im kommenden Jahr anstehenden Präsidentschaftswahlen in seinem Amt bestätigt werden. Einer aktuellen Umfrage des der Opposition nahestehenden Meinungsforschungsinstituts Venebarómetro zufolge würde Maduro 28,6 Prozent der Stimmen erreichen und läge damit deutlich vor den Oppositionspolitikern Leopoldo López (18,0 Prozent), Henrique Capriles (15,4 Prozent), Henry Ramos Allup (6,6 Prozent) und Henri Falcón (6,3 Prozent). Mehr als 25 Prozent zeigten sich jedoch unentschlossen oder wollten keinen von ihnen unterstützen.

Die Zahlen sind mit Vorsicht zu genießen, denn sie gehen von konkurrierenden Kandidaturen im rechten Lager aus – zusammen kämen die vier genannten Oppositionsführer demnach auf 46,3 Prozent. Trotzdem spiegelt die Prognose wider, dass sich Maduro und seine Regierung in den vergangenen Monaten stabilisiert haben. Zwar bewerten derzeit 68 Prozent der Befragten seine Amtsführung negativ, doch 31,1 Prozent äußerten sich zustimmend. Im Mai hatte die Ablehnung noch bei 77 Prozent gelegen, nur 21,7 Prozent sprachen sich damals für Maduro aus. Das regierungsnahe Internetportal Misión Verdad erinnert daran, dass Maduros Zustimmungsrate damit höher liegt als etwa die des kolumbianischen Staatschefs Juan Manuel Santos – dem 18 Prozent der Kolumbianer ihre Unterstützung aussprechen – oder auch die von Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy, dessen Politik von 29 Prozent befürwortet wird.

Maduro profitiert in erster Linie von der Krise der rechtsgerichteten Opposition. Im Sommer hatte diese eine monatelange Protestkampagne organisiert, in deren Verlauf es zu bürgerkriegsähnlichen Szenen kam. Erreicht haben die Regierungsgegner nichts. Statt dessen wurde Ende Juli die Verfassunggebende Versammlung gewählt. Diese hat seither zwar noch keine einzige Zeile einer neuen Magna Charta geschrieben, aber Gesetze verabschiedet und Wahltermine festgelegt. Zwar gibt es Kritik daran, dass es der Constituyente noch nicht gelungen ist, wirklich spürbare Erfolge zum Beispiel gegen die grassierende Inflation zu erreichen, doch die rechte Opposition ist zur Organisation von neuen Protesten nicht mehr in der Lage.

Vor diesem Hintergrund finden in der Dominikanischen Republik seit einigen Wochen Verhandlungen zwischen Oppositionsvertretern wie Parlamentspräsident Julio Borges und Repräsentanten der venezolanischen Regierung statt. Ein erstes Treffen im September war ergebnislos geblieben, doch eine erneute Begegnung in den vergangenen Tagen scheint eine Annäherung gebracht zu haben. Maduro lud seine Gegner jedoch bereits »spätestens in der nächsten Woche« zu einer Arbeitssitzung in den Präsidentenpalast Miraflores ein, um die bei den Gesprächen erreichten Ergebnisse zu verabschieden.

Während Maduro den Oppositionellen um den Bart geht, drohen ihm seine linken Bündnispartner abhanden zu kommen. Die Kommunistische Partei (PCV), Heimatland für alle (PPT) und andere Kräfte haben in den vergangenen Monaten ihre Kritik an der Politik des Staatschefs verschärft, weil sie dessen Maßnahmen zur Verbesserung der sozialen Lage der Bevölkerung als zu zögerlich ansehen. Maduros Sozialistische Partei (PSUV) verlangt ihrerseits, dass die kleineren Partner bei Wahlen uneingeschränkt die Kandidaten der PSUV unterstützen. Das wollen diese nicht hinnehmen.

Bei den am Sonntag landesweit stattfindenden Kommunalwahlen kommt es deshalb an mehreren Orten zu Konkurrenzkandidaturen. So hat die PSUV in Caracas Erika Farías als Bürgermeisterkandidatin nominiert. PCV und PPT unterstützen jedoch den früheren Minister Eduardo Samán. Dieser sieht sich massiven Wahlbehinderungen ausgesetzt. So taucht sein Name nicht auf den Wahlzetteln auf, obwohl die Nominierung rechtzeitig angemeldet wurde. Zudem ist er einer nahezu vollständigen Blockade durch die staatlichen Medien ausgesetzt. Nur der Fernsehsender Vive durchbrach am 30. November das Schweigen und sendete ein halbstündiges Gespräch mit dem Kandidaten. Wenige Stunden später waren der Präsident, die Pressechefin und der Koordinator von Vive ihre Jobs los. Die PCV berichtete zudem, dass das staatliche Fernsehen auch die Ausstrahlung ihres Wahlspots verweigert habe, in dem sie an ihre jahrelange Unterstützung für den 2013 verstorbenen Präsidenten Hugo Chávez erinnert.

Erschienen am 9. Dezember 2017 in der Tageszeitung junge Welt