Komponist des Tages: Prayuth Chan-ocha

Im Mai 2014 putschte in Thailand das Militär. Seither beherrscht Prayuth Chan-ocha das südostasiatische Land. Kritik am Regime wird unterdrückt. 2016 wurden die Befugnisse des Militärs so weit ausgedehnt, dass die Uniformierten nun Verdächtige wegen einer breiten Palette an Vergehen auch ohne richterliche Anordnung ins Gefängnis stecken können. Aber dieser Herr Prayuth ist ein echter Schöngeist. Da steht er ganz in der Tradition früherer Herrscher, zum Beispiel Kaiser Nero. Der soll angeblich Harfe gespielt haben, als Rom in Flammen stand. Das kann man von Prayuth Chan-ocha nicht behaupten: Er spielt keine Harfe. Dafür komponiert er. Die Deutsche Presseagentur wies am Dienstag dankenswerterweise darauf hin, dass am Vortag bei Youtube das neueste Meisterwerk des Ministerpräsidenten veröffentlicht wurde. »Kampf für die Nation«, heißt das Sangeswerk: »Jeden Tag bin ich müde, doch ich schiebe alles beiseite, denn mein Herz befiehlt mir, für die Nation zu arbeiten …«

Bewundernswert, wie der uniformierte Regierungschef trotz Aufopferung für das Vaterland immer noch die Zeit findet, epochale Meilensteine der Musikgeschichte zu schaffen. Das Lied ist schon der sechste Song, den Prayuth seit seiner Machtübernahme veröffentlicht hat. Doch seine Untertanen haben die musikalische Genialität ihres Regierungschef noch nicht voll erfasst. Bei Youtube standen am Dienstag 80 positiven Bewertungen des Liedes einer fast zehnfachen Zahl von »Daumen runter« gegenüber. Und auf Facebook wagten es Kulturbanausen doch wirklich, den Retter der Nation zu fragen, wieso er eigentlich Zeit zum Komponieren habe, wenn er sich doch so für das Heimatland aufopfere.

Es ist also mal wieder an der Zeit für eine Gesetzesänderung. Neueste Höchststrafe in Thailand: Wasser, Brot – und die Lieder von Prayuth Chan-ocha in Endlosschleife.

Erschienen am 11. April 2018 in der Tageszeitung junge Welt