Kommunist des Tages: Papst Franziskus

Am Wochenende sorgte ein Interview im Internet für Furore, das Papst Franziskus einem Journalisten der italienischen Zeitung La Repubblica gegeben hatte und das am Freitag veröffentlicht wurde. Eugenio Scalfari gab gleich zu Beginn seines Artikels zu Protokoll, dass er sich mit dem Chef der katholischen Kirche am 7. November getroffen habe. Ausgerechnet am 99. Jahrestag der Oktoberrevolution?

Der Interviewer sprach den Pontifex auf dessen Losung an, aus dem »Liebe deinen Nächsten wie dich selbst« müsse heute ein »mehr als dich selbst« werden: »Sie erhoffen sich also eine von der Gleichheit beherrschte Gesellschaft? Wie Sie wissen, entspricht das dem Sozialismusprogramm von Marx und dann des Kommunismus«, hakte Scalfari nach. »Denken Sie also an eine Gesellschaft marxistischen Typs?« Gemeint war nicht der Münchner Kardinal Reinhard Marx, das machte die Antwort des argentinischen Comandante aller Katholiken deutlich: »Es sind die Kommunisten, die wie die Christen denken. Christus sprach von einer Gesellschaft, in der die Armen, die Schwachen, die Ausgegrenzten entscheiden. Nicht die Demagogen, nicht die Barrabasse, sondern das Volk, die Armen (…). Ihnen müssen wir helfen, damit sie Gleichheit und Freiheit erreichen.«

Scalfari, überzeugter Atheist und ehemaliger Abgeordneter der Sozialistischen Partei, ist offenkundig geplättet. »Eure Heiligkeit, ich habe immer schon gedacht und geschrieben, dass Sie ein Revolutionär und sogar ein Prophet sind …« Aber keine Sorge, ein neuer Camilo Torres – der in den 60er Jahren in Kolumbien die Priesterkutte gegen die Uniform der Guerilla tauschte – wird Genosse Francesco wohl nicht. Von Kampf und Krieg will er nichts wissen, die Macht der Liebe und des Glaubens soll es richten. Müssen wir die Revolution also doch selber machen. Aber wenn er uns dabei hilft – bienvenido, camarada!

Erschienen am 15. November 2016 in der Tageszeitung junge Welt