Kommunalwahlen in Augsburg: »Hoffnungslos romantisch«

Neofaschisten im Stadtrat werden Augsburg erspart bleiben. Die von der NPD gelenkte »Bürgerinitiative Ausländerstopp« (BIA) hat nicht genügend Unterstützungsunterschriften gesammelt, um bei der Kommunalwahl am 16. März auf dem Stimmzettel zu erscheinen. Statt der benötigten 470 Unterschriften konnten die Rechten bis Montag mittag lediglich 378 Bürger dazu bewegen, sich in die Listen einzutragen. Das berichtete das kommunale Online­portal DAZ am Dienstag unter Berufung auf das Augsburger Wahlamt. Wer eine der bislang nicht im Stadtrat vertretenen Gruppen unterstützen wollte, mußte sich dazu während der Öffnungszeiten in eines der Bürgerämter der Stadt begeben, sich ausweisen und erklären, wem er mit seiner Unterschrift die Teilnahme ermöglichen wollte.

 

Für ihr Scheitern hat die BIA bereits Schuldige ausgemacht: Mitarbeiter der Stadt hätten Unterzeichnungswillige daran gehindert, ihre Unterstützungserklärung abzugeben. In einer Pressemitteilung witterte die BIA »Wählerbetrug« im »halbtürkischen Stadtteil Augsburg-Lechhausen«. Unterschriften seien nicht für sie, sondern für die örtliche CSU-Abspaltung CSM, »die einen türkischen Spitzenkandidaten hat«, registriert worden, üben sich die Neofaschisten in Verschwörungstheorie.

Eine reale Behinderung von BIA-Sympathisanten hatte es hingegen am vergangenen Donnerstag gegeben. Unter anderem die Augsburger ATTAC-Gruppe und die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) nutzten die in der Endphase der Unterschriftensammlung verlängerten Öffnungszeiten, um vor einem Bürgeramt gegen die BIA und deren Rassismus zu demonstrieren. Zu der Aktion aufgerufen hatten auch die Piratenpartei und die Wählergemeinschaft »Polit-WG«, die beide ebenfalls noch Unterschriften brauchten. Während die Piraten letztlich jedoch ebenso wie die Bayernpartei deutlich an der Hürde gescheitert sind, erreichten die Neulinge mit dem lustigen Namen im Endspurt mehr als 500 Unterschriften. Trotzdem kritisierte Polit-WG-Kandidat Anil Jain gegenüber junge Welt diese Behinderung kleiner und neuer Gruppen: »Wenn man schon eine repräsentative Demokratie hat, dann sollte man zumindest allen Positionen die Chance geben, im Parlament repräsentiert zu sein.« Zwar wäre dann auch die »höchst fragwürdige« BIA zugelassen worden, aber »leider gibt es ja Menschen, die solche Positionen vertreten«. Dagegen müsse »Aufklärung und Überzeugungsarbeit« gesetzt werden.

In den Wahlkampf wolle man »mit der hoffnungslos romantischen und doch knallhart realistischen Vorstellung« gehen, »daß die vielen brachliegenden Potentiale vor allem in den Bereichen Kultur und Wirtschaft endlich genutzt werden«, erläuterte Anil Jain. Dazu gehöre etwa ein Kulturzentrum in der Innenstadt. Sein Kollege Oliver Nowak ergänzte, man werde das Programm »auch durch Inputs anderer lokaler Gruppierungen kontinuierlich weiterentwickeln«. Das besondere an der Gruppe sei, »nicht abhängig zu sein von parteipolitischen Strukturen und thematischen Vorgaben aus Bund und Land«, meinte Manfred Hörr vom Vorstand der Polit-WG. Das unterscheide diese auch von der Linkspartei, bei der Jain zudem eine »lokale Agenda für Augsburg« vermißt. An der Alternative für Deutschland (AfD) stört die Polit-WG ebenfalls, daß sich diese einerseits »als bürgerschaftliche Basisbewegung« geriere, »ihrer Struktur nach aber bereits eine Partei wie jede andere« sei, so Gerald Fiebig, der ebenfalls für den Stadtrat kandidiert. Zudem habe die Polit-WG zur AfD »erhebliche programmatische Differenzen in den meisten anderen Feldern, insbesondere im Hinblick auf Weltoffenheit, kulturelle Vielfalt und was die Frage gesellschaftlicher und internationaler Solidarität betrifft«, so Jain.

Auf einen eigenen Bürgermeisterkandidaten hat die Gruppe verzichtet. Davon profitieren könnte Die Linke, die ihren früheren Bundestagsabgeordneten Alexander Süßmair nominiert hat. Reale Chancen gegen Amtsinhaber Kurt Gribl von der CSU oder dessen SPD-Konkurrenten Stefan Kiefer dürfte er jedoch keine haben.

Erschienen am 6. Februar 2014 in der Tageszeitung junge Welt