Kolumbiens gefährdeter Frieden

Kolumbien hat am Freitag mit zahlreichen Veranstaltungen an die Unterzeichnung des Friedensvertrages zwischen der Regierung und der damaligen FARC-Guerilla erinnert. Am 24. November 2016 hatten Staatschef Juan Manuel Santos und der oberste Comandante der Aufständischen, Timoleón Jiménez alias Rodrigo Londoño mit ihren Unterschriften das Ende des mehr als 50 Jahre langen Bürgerkrieges zwischen den Revolutionären Streitkräften Kolumbiens (FARC) und dem kolumbianischen Regime besiegelt.

Santos wollte am Freitag morgen (Ortszeit) in Bogotá im Teatro Colón, in dem der Vertrag unterzeichnet worden war, an einer Zeremonie teilnehmen. Anschließend wollte er nach La Montañita im südlich gelegenen Departamento Caquetá reisen, um dort die Fortschritte zu präsentieren, die das Kriegsende in der Region gebracht habe. In der Hauptstadt wollten sich Initiativen und linke Parteien auf der Plaza Bolívar versammeln, um mit einer Kundgebung die vollständige Umsetzung des Friedensvertrages zu fordern.

Die FARC haben ihren Teil des Abkommens erfüllt, die Waffen abgegeben und sich Anfang September als legale Partei konstituiert, die im kommenden Jahr an den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen teilnehmen will. Seit Anfang 2017 wurden allerdings mindestens 20 frühere Guerilleros sowie zehn Familienangehörige von FARC-Mitgliedern ermordet. Der Fernsehsender Telesur weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der Staat in der Übereinkunft die Verpflichtung übernommen habe, die entwaffneten Kämpfer vor Übergriffen zu schützen. Nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR wurden zudem 78 Aktivisten sozialer Organisationen Opfer von Mordanschlägen, nachdem sie Übergriffe gegen ihre Gemeinden angeprangert hatten. Örtliche Medien sprechen sogar von mehr als 100 Todesopfern, während die Behörden 54 Getötete gezählt haben wollen.

Mitte November schränkte das kolumbianische Verfassungsgericht zudem die Befugnisse der im Friedensvertrag vereinbarten Sondergerichtsbarkeit zur Aufarbeitung des Bürgerkrieges ein. Nach Ansicht der Richter sind nur frühere Guerilleros verpflichtet, sich dem Sondertribunal zu stellen, während es Staatsdienern und Zivilisten – also auch in Massaker verwickelten Soldaten und Paramilitärs – überlassen bleibe, ob sie einer Vorladung folgen wollen. Für die FARC stellt das einen Bruch des Abkommens dar.

Erschienen am 25. November 2017 in der Tageszeitung junge Welt