Kolonie Kolumbien

Kolumbien sei zu einer Kolonie der USA geworden, erklärte Venezuelas Präsident Hugo Chávez am Sonntag in seiner wöchentlichen Fernsehsendung »Aló, Presidente«. Die Unterzeichnung des Abkommens über die Einrichtung US-amerikanischer Militärstützpunkte durch die Regierungen in Washington und Bogotá bedeute eine »vollständige Auslieferung des Landes« unter die Interessen Washingtons.Weiter zitierte er eine am vergangenen Freitag veröffentlichte »Reflexion« des früheren kubanischen Präsidenten Fidel Castro, in der dieser geschrieben hatte, Kolumbien sei von den Vereinigten Staaten »annektiert« worden. »Wir haben das mit anderen Worten ausgedrückt, aber Fidel sagt das auf seine Weise und mit dem Gewicht seiner historischen Autorität«, fügte Chávez hinzu.
Zugleich warnte er vor der mit den Basen verbundene Bedrohung seines Landes. Durch die Stationierung von US-Soldaten auf der Guajira-Halbinsel im Nordosten Kolumbiens könnten die nordamerikanischen Truppen innerhalb von zwanzig Minuten Venezuela erreichen. »Aber die Herren Imperialisten und ihre Lakaien sollten sich nicht in uns täuschen, denn Venezuela wird weiter den Weg der sozialistischen Revolution beschreiten, komme, was wolle.«

Sollten es die USA wagen, Venezuela militärisch anzugreifen, drohe ein »hundertjähriger Krieg«, der sich auf die gesamte Region ausweiten könne, warnte der venezolanische Präsident. »Wir sind die Söhne Bolívars, und wir sind von Mexiko bis Argentinien präsent. Venezuela ist nicht allein, wir haben eine große Gruppe von Freunden. Niemand darf glauben, daß ein Krieg gegen unser Land ein Krieg nur gegen Venezuela wäre«, unterstrich er.

An die venezolanischen Streitkräfte gerichtet rief er die Soldaten und Offiziere auf, gegen eine mögliche Aggression gewappnet zu sein: »Die beste Form, den Krieg zu verhindern, ist, uns auf ihn vorzubereiten.« Venezuela sei zu allem bereit, um zu verhindern, daß das Land zu einer Kolonie »der Yankees oder von irgendeinem anderen Imperium der Welt« werde.

Die Regierung in Bogotá hat auf die Kritik Chávez’ mit scharfen Angriffen reagiert. Kolumbiens Präsident Álvaro Uribe ließ die »Kriegsdrohungen« von Chávez durch seinen Regierungssprecher Cäsar Mauricio Velasquez zurückweisen. Dieser kündigte außerdem an, Bogotá werde beim UN-Sicherheitsrat sowie bei der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) Protest einlegen.

Die kolumbianische Opposition sieht sich hingegen durch die Äußerungen des venezolanischen Präsidenten bestätigt. Die Einrichtung der Militärbasen in Kolumbien werde den Krieg verschärfen und den Konflikt außerdem auf die Nachbarländer ausdehnen, warnte die liberale Senatorin Piedad Córdoba. »Die USA haben ganz offensichtlich die Absicht, die strategischen Naturressourcen der gesamten Region zu kontrollieren. Ganz konkret wollen sie die Herrschaft über das Erdöl Venezuelas und viele andere Naturreichtümer Amazoniens und der Orinoco-Region haben«, warnte die Politikerin. Der Vorsitzende des linken Alternativen Demokratischen Pols (PDA), Jaime Dussán Calderón, rief Uribe und Chávez auf, sich im Ton zu mäßigen und diplomatische Kanäle zu finden, um die »irrationale Konfrontation« zu verhindern.

Die Beziehungen zwischen beiden Ländern sind nicht nur wegen der Errichtung US-amerikanischer Militärbasen gespannt, die auch von anderen Regierungen Südamerikas scharf kritisiert werden. Hinzu kommen die zunehmenden Aktivitäten paramilitärischer Banden, die aus Kolumbien nach Venezuela einsickern. Um dem Treiben dieser Gruppen sowie von Drogenschmugglern Einhalt zu gebieten, hat Venezuela die Zahl seiner Soldaten an der Grenze zum Nachbarland aufgestockt.

Erschienen am 10. November 2009 in der Tageszeitung junge Welt und am 11. November 2009 in der Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek