Kollateralschaden: Pence in Südamerika

Die Reiseroute, die sich US-Vizepräsident Michael »Mike« Pence für seine diesjährige Tournee durch den Hinterhof ausgesucht hat, spricht Bände. Natürlich geht es ihm nebenbei auch darum, die wegen der rassistischen Einwanderungspolitik Washingtons aufgebrachten Lateinamerikaner zu besänftigen und ein paar für US-Konzerne einträgliche Handelsabkommen zu unterzeichnen. In erster Linie ist das Ziel des Stellvertreters von Donald Trump jedoch, die noch verbliebenen Regierungen abzuservieren, die sich weiterhin dem Diktat von God’s Own Country widersetzen. Am liebsten wolle er Venezuela, Nicaragua und Kuba »mit einem Schlag« loswerden, hatte er Anfang Mai getönt. Doch Pence ist Realist genug, eines nach dem anderen anzugehen.

Demokratie ist für die US-Administration nach wie vor etwas, was man gerne anspricht, wenn man damit die eigenen Gegner attackieren kann – was man aber gerne ignoriert, wenn sich der Gesprächspartner angemessen unterwürfig gibt. So entblödete sich Pence nicht, ausgerechnet in Brasilien – dessen vom Volk gewählte Regierung durch einen institutionellen Putsch gestürzt wurde, dessen derzeitiger Staatschef Michel Temer nicht demokratisch legitimiert ist und dessen aussichtsreichster Präsidentschaftskandidat Luiz Inácio Lula da Silva im Gefängnis sitzt – dem Nachbarn Venezuela Lektionen in Sachen Menschenrechte erteilen zu wollen. In Guatemala hat Pence Abgesandte aus El Salvador und Honduras zu sich zitiert. In Nicaragua kennt man diese Allianz bereits – exakt von diesen Staaten aus wurde in den 1980er Jahren der Krieg gegen die Sandinistische Revolution geführt. Und ganz nebenbei hat er dankend die Einladung von Ecuadors Präsident Lenín Moreno angenommen, der den Verrat an der von seinem Vorgänger Rafael Correa initiierten »Bürgerrevolution« vollenden will.

Barack Obama hatte in seiner Amtszeit noch versucht, die Staaten Lateinamerikas mit »Zuckerbrot und Peitsche« auseinanderzudividieren. Während er die Beziehungen zu Kuba normalisierte, verschärfte er den Kurs gegen Venezuela. Unter Donald Trump ist für solche Feinheiten kein Platz mehr. Der Machthaber im Weißen Haus legt die Monroe-Doktrin von 1823 neu auf: »Amerika den Amerikanern«, der ganze Kontinent gehört den USA. Richtete sich das damals in erster Linie gegen Großbritannien und Frankreich, will Washington heute China und Russland aus Lateinamerika herausdrängen. Wenn man dazu gewählte Regierungen stürzen und internationale Abkommen brechen muss, ist das maximal ein Kollateralschaden.

Erschienen am 29. Juni 2018 in der Tageszeitung junge Welt