Kein Frieden ohne Frauen

Bei den Friedensverhandlungen zwischen der kolumbianischen Regierung und der FARC-Guerilla in Havanna haben beide Seiten am Sonntag (Ortszeit) in einem gemeinsamen Kommuniqué mitgeteilt, dass sie die Gleichberechtigung der Geschlechter sowie den Respekt für unterschiedliche sexuelle Ausrichtungen in den angestrebten Friedensvertrag aufnehmen wollen. Dazu habe man in den bislang ausgehandelten Teilabkommen etwa zur Bodenreform Punkte eingefügt, die sich speziell mit dieser Frage befassen. »Die Aufnahme eines geschlechtsspezifischen Ansatzes in einen Friedensprozess wie diesen ist weltweit ohne Beispiel und hat zum grundlegenden Ziel, Bedingungen dafür zu schaffen, dass Frauen und Personen mit unterschiedlicher sexueller Identität gleichberechtigt davon profitieren können, in einem Land ohne bewaffneten Konflikt zu leben«, heißt es stolz in den einleitenden Sätzen des Dokuments. Nach Angaben der für Gleichstellungsfragen zuständigen Unterhändlerin der kolumbianischen Regierung, María Paulina Riveros, ist unter anderem vorgesehen, Täter, die sexuelle Straftaten gegen Frauen begangen haben, von einer Amnestie auszunehmen.

Zu der Entscheidung beigetragen hätten die Treffen der Verhandlungsdelegationen mit Opfern des jahrzehntelangen Konflikts. 60 Prozent der Betroffenen, die zu den Gesprächen nach Havanna kamen, seien Frauen gewesen. Zudem hätten die Beiträge von 18 Organisationen der Frauenbewegung und der Lesbian-Gay-Bi-Trans-Inter-Community (LGBTI) sowie von Expertinnen und früheren Guerilleras aus verschiedenen Teilen der Welt entscheidend zur Arbeit der mit diesen Fragen befassten Unterkommission beigetragen.

In den Tagen zuvor hatte es scharfe Auseinandersetzungen zwischen beiden Seiten gegeben. Auslöser dafür war ein Bericht von Generalstaatsanwalt Jorge Fernando Perdomo, der den FARC eine systematische Politik der sexuellen Gewalt gegen Frauen vorwarf. Das wiesen die Vertreterinnen der Guerilla bei den Friedensverhandlungen entschieden zurück. In einem Video erklärten Victoria Sandino und Antonia Simón Nariño, die Anklagebehörde stütze sich wieder einmal auf gefälschte Beweise, um den revolutionären und politischen Charakter der FARC zu leugnen, »die mehr als ein halbes Jahrhundert lang für Veränderungen in Kolumbien gekämpft haben und in der wir Frauen Protagonistinnen dieses Kampfes und seine politischen Subjekte sind«.

Erschienen am 26. Juli 2016 in der Tageszeitung junge Welt