Katalonien vor Neuwahlen

Gut drei Monate nach den Parlamentswahlen steht Katalonien vor einem erneuten Urnengang. Die Parteien, die für eine Unabhängigkeit der bislang zu Spanien zählenden autonomen Region eintreten, haben sich trotz einer rechnerischen Mehrheit nicht auf die Bildung einer gemeinsamen Regierung einigen können. Wenn bis Sonntag kein Ministerpräsident gewählt wird, werden automatisch Neuwahlen ausgerufen. Diese würden wahrscheinlich am 6. März stattfinden.

Die Linksallianz CUP (Kandidatur der Volkseinheit) entschied am Wochenende nach langen internen Diskussionen endgültig, dem amtierenden Regierungschef und Spitzenkandidaten des bürgerlichen Bündnisses JxSí (»Junts pel Sí«, Gemeinsam für das Ja), Artur Mas, die Unterstützung zu verweigern. Das hatte sie bereits im Wahlkampf versprochen. Mas stehe für eine neoliberale Kürzungspolitik und Korruption.

Die Wahlen am 27. September waren von Mas als Referendum über eine Unabhängigkeit der Region inszeniert worden. Seine Bündnisliste, der seine eigene liberale Partei CDC (Demokratische Konvergenz Kataloniens) und die sozialdemokratische ERC (Republikanische Linke Kataloniens) angehören, errang dabei 39,6 Prozent der Stimmen, die CUP kam auf 8,2 Prozent. Damit verfehlten die Befürworter einer Abspaltung von Spanien die angestrebte Marke von 50 Prozent der Stimmen, kamen jedoch zusammen auf eine Mehrheit der Sitze.

Am Montag betonten die CUP-Abgeordneten Anna Gabriel und Eulàlia Reguant, ein anderer Kandidat von JxSí könne auf ihre Unterstützung zählen. Konkret nannten sie ERC-Chef Oriol Junqueras sowie Raül Romeva, den Spitzenkandidaten von JxSí bei den Wahlen im September. Die CDC beharrt jedoch auf Mas, und die ERC will offenbar keinen Bruch riskieren. Bei den spanischen Parlamentswahlen am 20. Dezember waren CDC und ERC getrennt angetreten und hatten mit 16,0 bzw. 15,1 Prozent der Stimmen Schlappen hinnehmen müssen. Nun wollen sie offenbar wieder gemeinsam kandidieren. Unwahrscheinlich ist jedoch, dass noch einmal eine Inszenierung als Unabhängigkeitsreferendum gelingen kann.

Vertreter von Podemos und der traditionellen katalanischen Linksparteien riefen bereits zur Bildung einer breiten Linksallianz auf. Ihr Bündnis »Gemeinsam können wir« (En Comú Podem) war am 20. Dezember in Katalonien stärkste Kraft geworden. Die CUP war nicht angetreten.

Erschienen am 5. Januar 2016 in der Tageszeitung junge Welt