Im Dienste Madrids

Aus der Geschichte nichts gelernt: Die Generalstaatsanwaltschaft Schleswig-Holstein hat am Dienstag beantragt, den seit dem 25. März in Neumünster inhaftierten früheren katalanischen Ministerpräsidenten Carles Puigdemont auf der Grundlage des von den spanischen Behörden ausgestellten Haftbefehls in Auslieferungshaft zu nehmen.

»Mit seinem Antrag hält der Generalstaatsanwalt nicht die nötige Distanz zu den Fußstapfen der furchtbaren deutschen Justiz«, kritisierte dies der Linkspartei-Abgeordnete Diether Dehm. Er sieht Parallelen zum Fall des katalanischen Ministerpräsidenten Lluís Companys, der 1934 die Katalanische Republik proklamiert hatte. 1940 wurde der Republikaner von der deutschen Gestapo gefangengenommen und an die spanischen Faschisten überstellt, die ihn nach einem Schnellprozess ermordeten. Für manche spanische Politiker ist das bis heute kein Verbrechen: Am 9. Oktober drohte der stellvertretende Kommunikationschef der Regierungspartei PP, Pablo Casado, mit Blick auf eine mögliche Proklamation der Unabhängigkeit durch Puigdemont: »Wir hoffen, dass niemand irgendwas erklärt, damit er nicht so endet wie derjenige, der sie vor 83 Jahren verkündete.« Auch vor diesem Hintergrund forderte die Linkspartei-Abgeordnete Zaklin Nastic am Osterwochenende nach einem Besuch bei Puigdemont die Bundesregierung auf, »sich nicht einseitig an die Seite des autokratischen Rajoy-Regimes« zu stellen. Berlin duckt sich jedoch weg und verweist auf den »spanischen Rechtsstaat« und die deutsche Justiz.

Schleswig-Holsteins Anklagebehörde macht sich derweil die Anklage der spanischen Justiz zu eigen, die Puigdemont wegen »Rebellion« verurteilen will. Der katalanische Regierungschef habe sich der »Durchführung eines verfassungswidrigen Referendums trotz zu erwartender gewaltsamer Ausschreitungen« schuldig gemacht, zitieren die deutschen Juristen in einer Pressemitteilung vom Dienstag die spanischen Vorwürfe. Das entspreche dem deutschen»Hochverrat«.

Was die norddeutschen Juristen ignorieren: Das katalanische Parlament hatte am 6. September 2017 ein Gesetz über die Durchführung des Referendums zur Selbstbestimmung am 1. Oktober verabschiedet. Die Regionalregierung setzte dieses um – und die »zu erwartenden gewaltsamen Ausschreitungen« gab es am Tag der Abstimmung ausschließlich von seiten der Guardia Civil und der spanischen Nationalpolizei, die mit Schlagstöcken, Tränengas und in Katalonien verbotenen Gummigeschossen gegen Wählerinnen und Wähler vorgingen. Rund 1.000 Menschen wurden verletzt. Trotzdem beteiligten sich mehr als 40 Prozent der Wahlberechtigten an der Abstimmung. 90 Prozent davon votierten für die Gründung einer unabhängigen Republik.

Die Entscheidung über weitere Inhaftierung und Auslieferung Puigdemonts liegt nun beim Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht (OLG), das wohl in den kommenden Tagen darüber befinden wird. »Anträge auf Zurückweisung« des Antrags der Staatsanwaltschaft hätten die Strafverteidiger bereits gestellt, teilte Puigdemonts Rechtsanwalt Till Dunckel am Dienstag in Hamburg mit. Man vertraue »auf eine unabhängige und sachgerechte Prüfung« durch das OLG. Damit wollen sich Unterstützer Puigdemonts nicht begnügen. Für den kommenden Sonnabend rufen katalanische und Antifagruppen zu einer Demonstration in Neumünster auf. Treffpunkt ist um 13.30 Uhr am Bahnhofsvorplatz.

Erschienen am 4. April 2018 in der Tageszeitung junge Welt