»Ich muss Dinge erfinden«

Francisco Santos dürfte die längste Zeit Botschafter Kolumbiens in den USA gewesen sein, und auch die Zukunft seiner Chefin, der designierten Außenministerin Claudia Blum, steht auf der Kippe. Beide wurden von Staatschef Iván Duque zum Gespräch gebeten. Hintergrund ist eine Unterredung, die beide Diplomaten wohl in der vergangenen Woche in Washington geführt haben. Eine Aufnahme des Dialogs, der offenbar in einem Café unweit der kolumbianischen Botschaft stattgefunden hat, wurde dem Onlineportal Publimetro zugespielt, das sie am Mittwoch (Ortszeit) veröffentlichte.

Santos und Blum hatten in ihrer Unterhaltung kein Blatt vor den Mund genommen. So echauffierte sich der Botschafter über die Zustände im State Department. Dieses sei »zerstört«, seit dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump gehe es dort zu »wie in einer NGO«. Auch über den bisherigen kolumbianischen Außenminister Carlos Holmes Trujillo hatte Santos wenig Lob übrig. Dieser habe »nichts getan« und »keine Strategie« gehabt.

Auf besonderes Interesse stießen in der Öffentlichkeit jedoch die Passagen, in denen sich beide über Venezuela austauschten. So beklagte sich Santos, dass die US-Administration das Interesse an Kolumbiens Nachbarland verloren habe. Er müsse »Dinge erfinden«, damit die Offiziellen in Washington Venezuela im Kopf behielten. Wenn es nicht gelinge, den venezolanischen Präsidenten Nicolás Maduro abzusetzen, werde das Leben für die kolumbianische Regierung »unmöglich«. Deren bisherige Aktionen, vor allem die Inszenierung »humanitärer Hilfe«, seien jedoch ein »vollständiges Fiasko« gewesen, niemand vertraue mehr Bogotá. In Venezuela werde es weder einen Militärputsch gegen Maduro geben, »weil ihn die Militärs nicht stürzen«, noch eine Intervention durch die USA. »Das einzige, was ich sehe, sind verdeckte Aktionen da drinnen (in Venezuela), um Unruhe zu stiften und die Opposition zu unterstützen, die ganz alleine dasteht«, zitierte Publimetro Botschafter Santos.

In Caracas reagierte Außenminister Jorge Arreaza umgehend. Blum und Santos hätten »zugegeben, wie und mit wem sie konspirieren«, schrieb er noch am Mittwoch abend (Ortszeit) auf Twitter. Dabei habe Bogotá doch seit Jahren behauptet, dass Venezuela die Region destabilisiere. Zugleich zeigte er sich jedoch skeptisch, dass sich an der Außenpolitik des Nachbarlandes nach den Enthüllungen etwas ändern werde.

Erschienen am 22. November 2019 in der Tageszeitung junge Welt