Hürden wegräumen

Der spanische Außenminister Miguel Ángel Moratinos hat sich während seines offiziellen Besuchs in Havanna dafür ausgesprochen, den »Gemeinsamen Standpunkt« der EU gegenüber Kuba zu überwinden, da es ein »unrettbares Hindernis« für eine Normalisierung der Beziehungen sei. Dieses 1996 von der Europäischen Union beschlossene Dokument legt als Ziel der Kontakte zur Insel unter anderem fest, »einen Prozeß des Übergangs in eine pluralistische Demokratie (…) zu fördern«. Von Havanna wird dies als Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Karibikstaates verurteilt. Madrid hatte während der spanischen EU-Präsidentschaft bis Ende Juni 2010 versucht, eine Aufhebung oder Veränderung des Dokuments zu erreichen, war damit aber weitgehend gescheitert. Moratinos konnte beim EU-Außenministertreffen Mitte Juni in Luxemburg lediglich erreichen, eine Beschlußfassung in dieser Frage auf den September zu verschieben. Dann sei eine »neue Situation« auf der Insel zu erwarten, hieß es damals.

In europäischen und US-amerikanischen Medien wird seither spekuliert, damit könne eine Freilassung von »politischen Gefangenen« gemeint sein. Zuletzt hatte der Nachrichtensender Euronews gemutmaßt, Kuba könne noch im Verlauf des gestrigen Mittwoch eine Reihe von Inhaftierten freilassen, die von Moratinos dann an Bord seiner Maschine nach Spanien mitgenommen würden. Der Sender berief sich dabei auf Fotoaufnahmen, die kubanische Beamte von Inhaftierten gemacht hätten, »möglicherweise, um ihnen Reisepässe auszustellen«. Den Hintermännern der kubanischen Konterrevolutionäre käme eine solche Freilassung aber offensichtlich gar nicht recht. So beschwerte sich der von der US-Administration betriebene antikubanische Rundfunksender Radio Martí bereits, die »30 bis 40 politischen Gefangenen«, die für eine Freilassung vorgesehen seien, seien nicht die richtigen, nämlich keine »Gefangenen des Gewissens«.

In der offiziellen Berichterstattung über den Moratinos-Besuch spielt dieses Thema hingegen keine Rolle. Die kubanische Agentur Prensa Latina zitierte den Gast am Dienstag mit den Worten, die spanische Regierung sei daran interessiert, die Zusammenarbeit mit Kuba zu intensivieren und respektiere deshalb die Entscheidungen der kubanischen Behörden. »Die Arbeitssitzungen sind positiv und erfolgreich für beide Nationen, und wir hoffen, daß unsere Partner in Europa das auch so einschätzen«, wurde Moratinos von PL zitiert. Sein kubanischer Amtskollege Bruno Rodríguez pflichtete ihm bei und äußerte die Hoffnung, der Besuch könne zur Verbesserung der Beziehungen zwischen der EU und der Insel beitragen, indem die Union ihre »ungerechte, einseitige und einmischende« Haltung aufgebe. Kuba sehe sich durch die US-Wirtschaftsblockade, der globalen Finanzkrise und den Klimawandel einer schweren Lage gegenüber. Trotzdem sei das Volk optimistisch und fühle »große Herzlichkeit für Spanien«.

Unterdessen stand am Mittwoch die Auslieferung des am vergangenen Freitag in Venezuela verhafteten Terroristen Francisco Chávez Abarca an Kuba offenbar unmittelbar bevor. Am Dienstag abend (Ortszeit) kündigte der venezolanische Präsident Hugo Chávez an, der von den kubanischen Behörden international gesuchte Salvadorianer werde »in den nächsten Stunden« über Interpol an Havanna ausgeliefert. Dort soll ihm wegen einer Reihe von Anschlägen auf kubanische Hotels Ende der 90er Jahre der Prozeß gemacht werden, bei denen ein italienischer Tourist getötet worden war. In Venezuela hatte Chávez Abarca, der als »rechte Hand« von Luis Posada Carriles – dem mutmaßlichen Haupttäter des Bombenanschlags auf ein kubanisches Verkehrsflugzeug 1976 – gilt, offenbar geplant, im Vorfeld der Parlamentswahlen am 26. September mit Attentaten für eine Zuspitzung der Lage in dem süd­amerikanischen Land zu sorgen und so möglicherweise die Abstimmung zu verhindern, wie Innenminister Tareck El Aissami in Caracas erläuterte. Zugleich kritisierte er, daß die oppositionellen Medien kaum über die Festnahme des international gesuchten Terroristen berichtet hätten.

Erschienen am 8. Juli 2010 in der Tageszeitung junge Welt und am 9. Juli 2010 in der Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek