Hohe Hürden

Am kommenden Wochenende beginnt in Venezuela ein Verfahren, in dessen Rahmen sich fast alle Parteien neu beim Nationalen Wahlrat (CNE) registrieren müssen. Das ist die Voraussetzung dafür, um weiter als »aktive« politische Kraft anerkannt zu werden und bei Wahlen antreten zu können. Was wie eine Formalie klingt, hat in dem südamerikanischen Land zu erbitterten Protesten fast aller Parteien geführt. Im Raum steht der Vorwurf, die Regierung treibe die Parteien in die Illegalität.

Zwischen dem 18. Februar und dem 23. April sollen alle politischen Vereinigungen, die bei den letzten Wahlen nicht mindestens ein Prozent der Stimmen erhalten haben, durch die Unterschriften ihrer Mitglieder belegen, dass sie weiter aktiv sind. Dazu richtet der CNE landesweit 390 Eintragungsstellen ein, die jeweils am Wochenende geöffnet sind. Jede Organisation hat zweimal sieben Stunden Zeit, um die Unterstützung von 0,5 Prozent der Wahlberechtigten – insgesamt rund 95.000 Bürger – in jedem Bundesstaat Venezuelas nachzuweisen, sonst wird sie aus dem Register gelöscht.

Zu dem Verfahren aufgerufen sind 59 »Organisationen mit politischer Zielsetzung«, wie es in der offiziellen Mitteilung des CNE heißt, der sich auf ein Urteil des Obersten Gerichtshofs (TSJ) vom vergangenen Oktober stützt. Nur fünf Parteien bleibt die Prozedur erspart. Neben drei kleinen Vereinigungen, die erst nach der Parlamentswahl vom Dezember 2015 gegründet wurden, sind das die regierende Vereinte Sozialistische Partei Venezuelas (PSUV) und das Oppositionsbündnis MUD (Tisch der demokratischen Einheit). Bei letzterem handelt es sich jedoch um eine Allianz verschiedener Kräfte, die bei den Wahlen 2015 auf eine eigene Kandidatur verzichtet hatten und mit einer einheitlichen Liste angetreten waren. Nun müssen sich die verschiedenen Gruppierungen der MUD einzeln der Neuregistrierung unterwerfen.

Die Oppositionsallianz hat der Regierung in einer Erklärung vorgeworfen, die »demokratischen Parteien beseitigen« zu wollen, indem sie ein Verfahren etabliert habe, das den Organisationen »unüberwindbare Hürden« entgegensetze. Das sei nicht nur ein Angriff auf die Parteien, sondern auf das ganze Volk.

Kritik gibt es jedoch auch von Verbündeten der Regierung. Die Kommunistische Partei Venezuelas (PCV) – die nach der PSUV stärkste Partei im »Großen Patriotischen Pol« – will das Verfahren boykottieren. Es könne nicht sein, dass jemand seine Mitgliedschaft in der Partei gegenüber einer staatlichen Behörde und nicht gegenüber dem eigenen Vorstand zu bekunden habe. Im Gespräch mit Unión Radio warnte PCV-Politbüromitglied Carlos Aquino am vergangenen Freitag davor, dass seine Partei vom CNE »zum vierten Mal in ihrer Geschichte« in die Illegalität gedrängt werde. Die Behörde müsse sich ihrer Verantwortung dafür auch vor der nationalen und internationalen Öffentlichkeit bewusst sein. Man werde vor dem Obersten Gerichtshof gegen das noch immer geltende Parteiengesetz von 1965 klagen, kündigte am Montag Politbüromitglied Yul Jabour an. Zugleich wies er eine Einladung der MUD an die Kommunisten zurück, gemeinsam »für die Verteidigung der Demokratie« einzutreten. »Wenn die Bourgeoisie das Sagen hat, kann es keine wirkliche Demokratie geben«, betonte Jabour bei der wöchentlichen Pressekonferenz seiner Partei in Caracas. Auch die um Juan Barreto, den früheren Oberbürgermeister der Hauptstadt Caracas, gruppierte REDES und die Linkspartei Heimatland für alle (PPT) meldeten Protest an.

Das Verfahren kann auch Auswirkungen auf die nächsten Wahlen haben. Die Regionalwahlen hätten bereits im vergangenen Jahr durchgeführt werden müssen, waren vom CNE jedoch ohne Angabe von Gründen auf »Ende des ersten Halbjahres 2017« verschoben worden. Ein genaues Datum und Zeitpläne für das Einreichen von Kandidaturen liegen allerdings noch immer nicht vor. Man werde die Wahlen erst nach Abschluss der Parteienregistrierung durchführen können, kündigte CNE-Rektorin Tania D’Amelio in der vergangenen Woche an.

Erschienen am 16. Februar 2017 in der Tageszeitung junge Welt und in der Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek