Hochzeit im Revierpark

Ein Hinweis, weil es mehrfach Verwechslungen gab: Der in dem Artikel genannte André aus Hamburg bin nicht ich!

Eine kirchliche Trauung kam für André und Tanja nicht in Frage. Nur die Heirat auf dem Standesamt, die im Oktober stattfinden soll, war dem Pärchen zuwenig. Wenn aber Pastoren Ehen schließen dürfen, die vor dem Gesetz nichts wert sind, warum sollte dann nicht der Vorsitzende des Deutschen Freidenkerverbandes (DFV), Klaus Hartmann, die Rolle des Pfarrers übernehmen? Und so erlebte das UZ-Pressefest in Dortmund, das alle zwei Jahre stattfindende Volksfest der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP), am Samstag die hierzulande wohl einzige »sozialistische Hochzeit« der vergangenen Jahrzehnte. An der »Kogge«, dem von den norddeutschen DKP-Verbänden betriebenen Bierausschank in Form eines großen Segelschiffes, waren Batterien von Sektgläsern aufgebaut. Das Brautpaar saß mit zwei weißen Tauben in den Händen unter freiem Himmel, als Hartmann seine Rede hielt – und augenzwinkernd darauf verzichtete, sich länger über die Haltung von Karl Marx zur Ehe auszulassen. Statt dessen würdigte er die politische Aktivität der Brautleute, die seit Jahren für eine gerechte und friedliche Welt kämpfen – die aus dem Saarland stammende Tanja in der DKP, der Hamburger André in der Kommunistischen Plattform der Linkspartei. Dann wurden die Tauben in die Luft entlassen, und es wurde mit Sekt angestoßen.

Glück hatten die beiden damit, dass es während der Zeremonie trocken blieb. Ansonsten trieben Regenschauer die Besucher des Festes immer wieder in die zahlreichen Veranstaltungszelte, in denen abwechselnd Diskussionsrunden, Konzerte und Gedichtlesungen stattfanden. Doch wenn es gerade nicht nass vom Himmel kam, waren die Wege im Revierpark voller Menschen, die an den unzähligen Ständen vorbeischlenderten, sich in Diskussionen verwickeln ließen, das ein oder andere Bier bestellten, der Musik lauschten oder alte Bekannte begrüßten. Denn nicht nur Dortmunder zog das Fest an: Wohl mehrere tausend Menschen kamen aus allen Teilen der Bundesrepublik in die Ruhrmetropole. Gäste konnte die DKP aus aller Welt begrüßen, etwa aus Kuba, Frankreich, Guayana, Spanien, Palästina, Vietnam und vielen anderen Ländern. Vertreter von 29 kommunistischen Parteien und Befreiungsbewegungen waren gekommen – so viele wie noch nie seit den 1980er Jahren, als die Pressefeste noch eine Kategorie größer waren als heute und Hunderttausende Besucher anzogen. Für dieses Mal gab es zunächst noch keine Zahlen. Es dürften aber nicht weniger als in den letzten Jahren gewesen sein, als um die 50.000 Menschen gezählt wurden.

Auch dieses Mal dürften es nicht die»großen Namen« gewesen sein, die nach Dortmund zogen. Was das Festival für viele Linke interessant macht, die sonst wenig mit der DKP anfangen können, ist der nichtkommerzielle Charakter des Pressefestes. Keine Wurstbuden professioneller Händler prägten das Bild im Revierpark, sondern Stände der DKP-Landesverbände und befreundeter Organisationen aus dem In- und Ausland. Die Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) lud in einem eigenen Bereich zu Konzerten und Diskussionen ein. In einem eigenen Zelt informierte die Bundestagsfraktion der Linkspartei über ihre Arbeit, und auch das Zelt der jungen Welt war nahezu durchgehend gut gefüllt. Die Nachfrage nach der aktuellen Ausgabe der Musikzeitschrift Melodie und Rhythmus, die diesmal Kuba gewidmet ist, war größer als erwartet, so dass schon am Samstag »ausverkauft« gemeldet werden musste.

Am Samstag abend versammelten sich Hunderte Menschen vor der großen Hauptbühne, wo die türkische Grup Yorum auftrat. Rote Fahnen wurden geschwenkt, und das Publikum klatschte begeistert, als die Musiker ihre Versionen internationaler Kampflieder sangen. Die DKP und die linke Musikgruppe verbindet inzwischen einiges. Erst vor wenigen Wochen konnte in Gladbeck mit Hilfe der deutschen Kommunisten ein Konzert von Grup Yorum durchgesetzt werden, das von den »Sicherheitsbehörden« verhindert werden sollte.

Der kubanische Sänger Gerardo Alfonso, der auf dem Pressefest mit zwei Präsentationen seine unter anderem von jW präsentierte Tournee durch die Bundesrepublik startete, zeigte sich beeindruckt von der Stimmung: »Das ist toll!«

Erschienen am 4. Juli 2016 in der Tageszeitung junge Welt