Historischer Augenblick: FARC haben die Waffen abgegeben

Die älteste und größte Guerillaorganisation Lateinamerikas, die Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (FARC), hat die Abgabe ihrer Waffen offiziell abgeschlossen. Das teilte die UN-Mission zur Unterstützung des Friedensprozesses in dem südamerikanischen Land am Montag mit. In den Händen der Aufständischen befinden sich demnach nur noch die Waffen, mit denen die FARC bis zum 1. August die Sicherheit der 26 Übergangslager garantieren sollen. In diesen werden die bisherigen Guerilleras und Guerilleros auf ihr künftiges ziviles Leben vorbereitet. Am Dienstag (Ortszeit) sollten Staatschef Juan Manuel Santos und FARC-Comandante Timoleón Jiménez im Rahmen einer offiziellen Zeremonie den Abschluss der Entwaffnung würdigen.

Für Kolumbien ist dies zweifellos ein historischer Augenblick. 53 Jahre lang hatten die Kämpferinnen und Kämpfer der FARC mit der Waffe in der Hand für die Befreiung Kolumbiens gestritten. Nun beginnt eine neue Epoche. Am 20. August soll aus der bisherigen Guerilla eine legale politische Partei werden.

Einem wirklichen Frieden ist Kolumbien trotzdem kaum näher gekommen. In die bisher von den FARC kontrollierten Gebiete rücken ultrarechte Paramilitärs und Drogenbanden vor, ohne dass ihnen von der Staatsmacht Widerstand entgegengesetzt wird. Seit der Unterzeichnung des Friedensvertrages zwischen der Guerilla und der Staatsmacht Ende vergangenen Jahres wurden bereits mindestens 34 Aktivisten aus sozialen Bewegungen, Gewerkschaften und linken Parteien ermordet. Die Regierung von Friedensnobelpreisträger Juan Manuel Santos lässt sich mit der Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus dem Abkommen Zeit. Rund 2.000 politische Gefangene warten noch immer auf die im Friedensvertrag vereinbarte Amnestie. Sicherheitsgarantien für die entwaffneten Kämpfer und die Einrichtung einer Sonderjustiz für den Friedensprozess lassen weiter auf sich warten.

Zugleich nähert sich das Datum der Präsidentschaftswahlen im kommenden Jahr. Glaubt man den Umfragen, gilt der frühere Staatschef Álvaro Uribe als Favorit. Eine Rückkehr dieses Kriegstreibers mit Verbindungen zu paramilitärischen Banden und anderen kriminellen Strukturen in das höchste Staatsamt würde nichts Gutes bedeuten. Vielmehr müsste mit einer weiteren Zunahme der Repression, verschärftem Sozialabbau und noch mehr Verfolgung der linken Opposition und der Arbeiterbewegung gerechnet werden. Die FARC sind dann nicht mehr in der Lage, dem Staatsterror mit mehr als Worten Einhalt zu gebieten.

Kolumbien steht deshalb am Scheideweg: Endet dieser Friedensprozess, mit dem so viele Hoffnungen verbunden waren, doch wieder – wie Ende der 1980er Jahre, als die von den FARC gegründete Linkspartei Unión Patriótica physisch ausgerottet wurde – in einem Massaker und Blutvergießen, wird das südamerikanische Land für weitere Jahrzehnte in den Krieg zurückgestoßen. Frieden ohne soziale Gerechtigkeit ist letztlich unmöglich.

Erschienen am 28. Juni 2017 in der Tageszeitung junge Welt