Großdemo mit Sarg

Tausende Menschen haben am Sonntag in Tegucigalpa gegen die Manipulation der Präsidentschaftswahl vom 24. November demonstriert. Zuvor hatte das Oberste Wahlgericht (TSE) den Kandidaten der rechten Nationalen Partei, Juan Orlando Hernández, offiziell zum Sieger und neuen Präsidenten von Honduras erklärt. Die Linkspartei LIBRE geht hingegen davon aus, daß ihre Kandidatin Xiomara Castro die Abstimmung gewonnen hat. Das hätten Nachwahlbefragungen sowie die Beobachtung der Auszählung durch eigene Vertreter ergeben. »Wir werden keine Regierung anerkennen, die aus diesem Betrug hervorgeht«, unterstrich Castro und forderte Einsicht in die beim TSE gespeicherten Daten der Auszählung. »Wir kehren gewaltfrei auf die Straßen zurück, von denen wir gekommen sind, um überall unseren Sieg zu verteidigen«, bekräftigte sie.

Im Demonstrationszug wurde ein Sarg mitgeführt. Stunden vor Beginn der Proteste war in Tegucigalpa Antonio Ardón von unbekannten Tätern nahe seinem Haus ermordet worden. Der 58jährige gehörte zu einer Gruppe von Motorradfahrern, »Los Motorizados«, die regelmäßig die Demonstrationen der LIBRE anführen und absichern. Auch zur Leibwache von Xiomara Castro soll Ardón gehört haben. Nachbarn machten die honduranische Militärpolizei für das Verbrechen verantwortlich, denn in den Stunden vor dem Mord hätten deren Angehörige vermummt und bewaffnet in der Umgebung patrouilliert und provoziert. Wie das den Linken nahestehende Internetportal El Libertador schreibt, ist mit dem Mord an Ardón die Zahl der ermordeten Mitglieder der 2009 im Kampf gegen die Putschisten entstandenen Nationalen Volkswiderstandsfront (FNRP) und der 2011 aus ihr hervorgegangenen Partei LIBRE auf 250 gestiegen.

Der demokratisch gewählte Präsident Manuel Zelaya war im Sommer 2009 vom Militär gestürzt, in ein Flugzeug gesetzt und noch im Schlafanzug nach Costa Rica ausgeflogen worden. Alle öffentlichen Institutionen hatten in der Folge den Staatsstreich abgesegnet, auch das TSE. Deshalb sei es »naiv« gewesen, eine faire Rolle dieses Gerichts zu erwarten, kommentierte in der vergangenen Woche der argentinische Publizist Carlos Aznárez: »Die Oligarchie begeht keinen Selbstmord.«

Bereits am Sonnabend hatte Xiomara Castro bei einer Pressekonferenz in Tegucigalpa Belege für den Betrug vorgelegt. So habe es zahlreiche Abweichungen zwischen den Zählprotokollen der einzelnen Wahllokale und den schließlich vom TSE verbreiteten Ergebnissen gegeben. Mindestens 2805 dieser Protokolle seien nie, wie vorgeschrieben, an die kandidierenden Parteien übergeben worden. »Wir fordern die Auszählung jeder einzelnen Urne«, erklärte Castro deshalb und schlug eine von der Organisation Amerikanischer Staaten überwachte internationale Überprüfung vor. »LIBRE ist der Sieg gestohlen worden«, kritisierte die Kandidatin, das Wahlsystem sei zu einer »Farce« geworden, »um in großem Stil zu betrügen«.

Erschienen am 3. Dezember 2013 in der Tageszeitung junge Welt