Gerüchte über Zelayas Rückkehr

In der Nacht zum Sonnabend ist das Ultimatum abgelaufen, das der rechtmäßige Präsident von Honduras, Manuel Zelaya, den Putschisten gesetzt hatte, die ihn am 28. Juni gestürzt und aus dem Land vertrieben hatten. Zelaya hatte Anfang der Woche erklärt, daß die Widerstandsbewegung »andere Maßnahmen« ergreifen werde, wenn die unter Leitung des Präsidenten von Costa Rica, Óscar Arias, in San José laufenden Gespräche nicht bis zum Wochenende zu einer Wiedereinsetzung der demokratischen Regierung geführt haben. In einem Telefoninterview mit dem venezolanischen Fernsehen VTV sagte Zelaya, zu Beginn habe man von einer Vermittlung von 24 oder 48 Stunden Dauer gesprochen, »dann waren es 72 Stunden, und jetzt sind wir schon über 200 Stunden in diesem Prozeß«. Sprecher der Widerstandsbewegung hatten wiederholt gewarnt, daß die Gespräche in San José vor allem einen Zeitgewinn für die Putschisten bedeuten können.

Zugleich mehrten sich in den vergangenen Tagen die Anzeichen dafür, daß eine Rückkehr Zelayas nach Honduras unmittelbar bevorstehen könnte. Als Zelaya im Gegensatz zu seinen Amtskollegen aus Paraguay, Ecuador und Venezuela nicht an den Feierlichkeiten zum 200. Jahrestag der Unabhängigkeit Boliviens in La Paz erschien, erklärte seine Außenministerin Patricia Rodas, der Präsident sei bereits »auf dem Weg nach Honduras«. Auch Venezuelas Präsident Hugo Chávez sagte: »Zelaya kehrt zurück, und dem Usurpator Roberto Micheletti bleibt kein anderer Weg mehr als der auf den Müllhaufen der Geschichte«. Er habe am Mittwoch mit seinem Amtskollegen telefoniert, und dieser habe ihm gesagt, Honduras habe viele Grenzen zu Lande und zu Wasser. »Ich werde nicht in der Welt herumreisen und Mitleid erwecken, lieber sterbe ich in Honduras«, habe ihm Zelaya erklärt, sagte Chávez.

In Honduras wuchs daraufhin die Anspannung. Der Sender Radio Globo und Radio Progreso, die sich seit dem Staatsstreich den Putschisten widersetzen und deshalb mehrfach zeitweilig geschlossen wurden, berichteten über »hartnäckige Gerüchte aus verschiedenen Quellen«, wonach Zelaya sich bereits in Honduras aufhalte. Daraufhin bemühte sich Rodas vorsichtig, die Erwartungen zu dämpfen und sagte, ihre Äußerung, daß Zelaya »auf dem Weg« sei, sei »nicht wörtlich« gemeint gewesen. Wo sich Zelaya derzeit genau aufhält, blieb jedoch unklar. Der lateinamerikanische Nachrichtensender TeleSur schaltete in der Nacht zum Freitag zu einem offenbar live geführten Interview zu seinem Korrespondenten in Managua. Dieser erklärte jedoch nur, er befände sich gemeinsam mit Zelaya »in einem mittelamerikanischen Land«.

In dem Interview sagte Zelaya, daß das honduranische Militär »mit Bajonetten und Gewehren und ohne Gerichtsbeschluß« seine Residenz in Olancho, im Südosten von Honduras, besetzt habe. Damit hätten die Putschisten offenbar auf die immer stärkeren Gerüchte über seine Rückkehr reagiert. Aktivisten der Widerstandsbewegung berichteten auch über starke Flugzeug- und Hubschrauber-Bewegungen und vermuteten, daß das Militär Zelaya suche. Dieser warnte in dem Gespräch weiter davor, den Darstellungen der Putschisten zu glauben, daß es bisher kaum Opfer der Repression gegeben habe: »Die Militärs des Putschistenregimes unterdrücken und ermorden unschuldige Menschen, aber wir bekommen das nicht mit, weil sie als Teil der Putschstrategie zur Unterdrückung des Volkes die Medien kontrollieren«. So hatten die Putschisten am vergangenen Wochenende die Korrespondenten von TeleSur und VTV verhaftet und ausgewiesen.

Ein Aufruf zum Generalstreik gegen den Staatsstreich, der ursprünglich am Donnerstag beginnen sollte, ist von den beteiligten Gewerkschaften unterdessen auf die kommende Woche verschoben worden. Es sei aufgrund der komplizierten Situation nicht so schnell gelungen, die verschiedenen beteiligten Gewerkschaften und Organisationen zu koordinieren, erklärte ein Sprecher. In der kommenden Woche wolle man aber das gesamte wirtschaftliche Leben des Landes lahmlegen. Dasselbe Ziel verfolgt auch die Widerstandsbewegung, die mit zahlreichen Straßenblockaden den Verkehr auf den wichtigsten Verbindungen des Landes immer wieder unterbricht.

Erschienen am 18. Juli 2009 in der Tageszeitung junge Welt