Geldsegen für Faschisten

Am 5. April 1944 massakrierten deutsche Soldaten in der griechischen Ortschaft Distomo 218 Einwohner, vor allem ältere Menschen, aber auch vier Babys und 34 weitere Kinder. Bis heute haben die Angehörigen der damals Ermordeten keine Entschädigung erhalten. Seit Jahrzehnten verweigern die deutschen Bundesregierungen Zahlungen mit der Behauptung, die Dorfbewohner hätten ein »allgemeines Kriegsschicksal« erlitten.

Großzügiger zeigen sich die Regierungen der BRD bis heute, wenn es um für Hitler kämpfende Mörder und deren Witwen geht. Jährlich mehr als 100.000 Euro überweist Berlin auch heute noch an 41 ehemalige Soldaten der »Blauen Division« und deren Hinterbliebenen. Diese Einheit aus Freiwilligen hatte der spanische Diktator Francisco Franco unmittelbar nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion 1941 aufgestellt und zur Unterstützung der Nazis an die Ostfront geschickt. Beteiligt waren die Spanier unter anderem an der 900 Tage dauernden Blockade Leningrads, die nach Schätzungen mehr als einer Million Einwohnern der Stadt das Leben kostete. Insgesamt kämpften in der »División Azúl« rund 47.000 spanische Faschisten. Als 1943 die Niederlage Hitlerdeutschlands absehbar wurde, holte der Diktator seine Männer nach Hause zurück, um sich den späteren Siegern als »neutral« zu präsentieren. Mehrere tausend spanische Faschisten weigerten sich jedoch, zurückzukehren. Einige kämpften bis zuletzt in der SS gegen die Rote Armee.

1962 vereinbarten die von Konrad Adenauer (CDU) geführte Bundesregierung – vertreten durch das Land Baden-Württemberg – und das Franco-Regime die Zahlung von Renten für die spanischen »Kriegsopfer«. Dafür eingesetzt hatte sich in den Jahren zuvor unter anderem der Militärattaché der deutschen Botschaft in Madrid, Achim Oster. Der hatte den Nazis als Kommandeur eines Panzergrenadierregiments gedient und fühlte sich den spanischen Faschisten als Kampfgefährten gegen den »Bolschewismus« verbunden. Der Einsatz der »Blauen Division« sei »nicht belastet« mit »irgendwelchen Kriegsverbrechen oder sonstigen Greueltaten«, zitierte Walter Lehmann in seinem 2006 erschienenen Buch »Die Bundesrepublik und Franco-Spanien in den 50er Jahren« aus den Depeschen des uniformierten Diplomaten.

Die große Koalition argumentiert heute nicht viel anders: »Der Bundesregierung liegen keine Informationen über Kriegsverbrechen der ›Blauen Division‹ vor«, antwortete Staatssekretärin Gabriele Lösekrug-Möller in der vergangenen Woche dem linken Bundestagsabgeordneten Andrej Hunko. »Es ist ein Skandal, dass Deutschland mehr als 70 Jahre nach Kriegsende noch immer jährlich über 100.000 Euro an Nazikollaborateure bezahlt«, kommentierte dieser am Dienstag. Die Soldaten der »Blauen Division« hätten sich »damals freiwillig den deutschen Faschisten angeschlossen und im Vernichtungskrieg in Osteuropa an deren Seite gekämpft«. Es sei ihm »völlig unverständlich, dass die Bundesregierung an diesen Versorgungszahlungen festhält, während so viele Opfer des Krieges bis heute auf Entschädigungen warten«.

Auch in Spanien sorgt der so ruchbar gewordene Skandal für Empörung. Wie die Tageszeitung Gara berichtet, will die baskische Linksallianz EH Bildu die Zahlungen an die Altfaschisten im Europäischen Parlament zum Thema machen.

Erschienen am 11. November 2015 in der Tageszeitung junge Welt