Gedenken in Dachau

Mehrere hundert Menschen haben am Sonntag in Dachau an den 74. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers durch die US-Armee am 29. April 1945 erinnert. In der Gedenkstätte für die Opfer wurden Kränze niedergelegt, in Ansprachen erinnerten Vertreter des von Überlebenden gegründeten Comité International de Dachau und Bayerns Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) »aus Respekt vor den Opfern und für die Zukunft unserer Kinder« an die an dieser Stelle verübten Verbrechen. »Solange sich deine Enkelkinder an deine Geschichte erinnern, gibt es Hoffnung, dass sie deine Vergangenheit nicht erleben müssen«, heißt es als Leitmotiv der Arbeit der Gedenkstätte auf der Homepage der Opfervereinigung.

Das KZ Dachau wurde von den Nazis bereits im März 1933 zur Inhaftierung politischer Gefangener errichtet. Später wurden hier auch Tausende aus anderen Gründen Verfolgte eingesperrt, misshandelt und ermordet, unter anderem Sinti und Roma, Juden, Homosexuelle und Zeugen Jehovas. In mehr als 150 Außenlagern mussten die Gefangenen Zwangsarbeit für die Rüstungsindustrie leisten, in Schloss Hartheim bei Linz wurden ab 1942 mehr als 2.500 Häftlinge durch Giftgas ermordet, an anderen Opfern wurden medizinische Versuche vorgenommen. Über 40.000 Menschen wurden in dem Lager ermordet oder starben an den Folgen von Misshandlungen und Seuchen.

Rund zwei Kilometer nördlich des ehemaligen Hauptlagers des KZ Dachau liegt die kleine Gemeinde Hebertshausen. Hier hatte die SS einen Schießplatz eingerichtet, auf dem 1941 und 1942 mindestens 4.000 sowjetische Kriegsgefangene von den Faschisten ermordet wurden. Eine würdige Gedenkstätte für die Opfer gibt es dort erst seit fünf Jahren. Jahrzehntelang hatten die offiziellen Stellen des Freistaats und der Gemeinde kein Interesse daran, die Erinnerung an das Verbrechen wachzuhalten. Ein Gedenkstein und die Betoninstallationen des Schießplatzes drohten unter Bäumen und Gestrüpp zu verschwinden. Die Erinnerung an die Opfer wurde vor allem von lokalen Initiativen, der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN-BdA) und Mitgliedern der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) lebendig erhalten, die auf die dort verübten Verbrechen aufmerksam machten und forderten, eine Gedenkstätte einzurichten. Das fand erst 1999 ein Echo, als ein Besuch des damaligen Moskauer Bürgermeisters Juri Luschkow in einem Eklat endete. Im Gegensatz zu ihren deutschen Gastgebern war den Mitgliedern der russischen Delegation die Bedeutung Hebertshausens durchaus bewusst, und sie waren über die Vernachlässigung des Tatorts entsetzt.

Inzwischen ist die KZ-Gedenkstätte Dachau auch für Hebertshausen mitverantwortlich, und so besuchten gut 100 Teilnehmer der Veranstaltung im ehemaligen Hauptlager anschließend auch den früheren SS-Schießplatz, um dort an die Ermordeten zu erinnern. Ernst Grube, Vorsitzender der Lagergemeinschaft Dachau, betonte in seiner Rede, dass Erinnern auch heute noch bedeutet, immer wieder gegen Geschichtsfälschungen etwa durch die AfD einzutreten.

»Ich freue mich, dass hier seit 2014 endlich ein angemessenes Gedenken möglich ist«, sagte der südbayerische DKP-Bezirksvorsitzende Werner Feldmann dazu am Rande der Gedenkfeier am Sonntag in Hebertshausen im Gespräch mit junge Welt. »Faschistischer Terror und antikommunistische Hetze gehen Hand in Hand, damals wie heute.« Die Reden von Vertretern der Landesregierung bei solchen Gedenkveranstaltungen seien zumeist Heuchelei. »Die CSU gehört zu den rassistischen Scharfmachern in der Bundesrepublik, sie steht für Ausgrenzung und Diskriminierung von Flüchtlingen, Einwanderern und Andersdenkenden. Sie ist Teil des Problems und nicht der Lösung.«

Erschienen am 6. Mai 2019 in der Tageszeitung junge Welt