Für mehr Demokratie sorgen

Kubas Kommunisten sollen den Kampf gegen die Korruption verstärken. Mit dieser Hauptforderung hat der Präsident der Inselrepublik, Raúl Castro, in seiner Eigenschaft als Erster Sekretär des Zentralkomitees am Sonntag (Ortszeit) in Havanna die erste Nationalkonferenz der kubanischen Kommunistischen Partei abgeschlossen. Die Korruption sei heute zu einem der Hauptfeinde der Revolution geworden und richte mehr Schaden an, als die mit Dollarmillionen finanzierten antikubanischen Programme der US-Administration. Deshalb dürfe der Kampf gegen dieses Übel nicht nur in zeitweiligen Kampagnen geführt werden, sondern müsse eine ständige Aufgabe der Partei und der Staatsorgane sein. Die Revolution werde »ohne einen Schuß« in die Hände des Feindes fallen, wenn ihre Führung eines Tages »in die Hände von Korrupten und Feiglingen fallen« werde, warnte er.

Ohne Namen zu nennen, kündigte Castro einen bevorstehenden Schlag an. Dieser soll sich offenbar gegen Funktionäre richten, denen Bestechlichkeit zur Last gelegt wird. »In den vergangenen Wochen haben die Abgeordneten der Nationalversammlung und zahlreiche Kader und Funktionäre im ganzen Land umfangreiche Informationen über einige Untersuchungen erhalten, die derzeit von den darauf spezialisierten Organen des Innenministeriums in enger Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft und dem Rechnungshof der Republik durchgeführt werden. Zu gegebener Zeit und nach der Stellungnahme der zuständigen Gerichte wird unsere gesamte Bevölkerung den Umfang dieser Taten erfahren«, erklärte Castro.

Forderungen nach der Einführung eines Mehrparteiensystems erteilte Castro erneut eine entschiedene Absage, auch wenn selbst einige Freunde Kuba dazu aufforderten. Diese ignorierten jedoch, daß Kuba kein Land ist, das sich unter normalen Bedingungen entwickeln kann, sondern noch immer das Ziel von Blockade, Aggressionen und Medienkampagnen. Wenn man das auf den Nationalhelden José Martí und den Kampf um die Unabhängigkeit Kubas gegen die spanische Kolonialherrschaft zurückgehende Prinzip einer Einheitspartei des Volkes aufgeben würde, würde dies »ganz einfach bedeuten, die Partei oder Parteien des Imperialismus auf dem Boden des Heimatlandes zu legalisieren«. Das beste Argument für die Beibehaltung des eigenen Weges sei das Beispiel der politischen Realität in den USA, »wo sich die Demokratische und die Republikanische Partei an der Macht abwechseln und ohne größere Differenzen die Interessen desselben Großkapitals verteidigen, dem sich beide unterordnen«. Man spreche keinem anderen Land das Recht auf Mehrparteiensysteme ab, »aber wir verteidigen das System der Einheitspartei gegen das Spiel der Demagogie und der Verwandlung der Politik in eine Handelsware«.

In Kuba sei es die Aufgabe der Einheitspartei, »für mehr Demokratie in unserer Gesellschaft zu sorgen«. Dazu müsse ein Klima des größtmöglichen Vertrauens auf allen Ebenen geschaffen werden, um ehrlichen und umfassenden Meinungsaustausch zu ermöglichen. Differenzen müßten mit Natürlichkeit und Respekt behandelt werden und sich auch in den Massenmedien widerspiegeln. Kubas Journalisten rief er zu »mehr Professionalität« auf. Diese müßten verantwortungsvoll, objektiv, der Wahrheit verpflichtet und ohne unnützes Sektierertum sowie »nicht im Stil der Bourgeoisie, voller Sensationalismus und Lügen« die Realitäten Kubas aufzeigen.

Für die führenden politischen und Staatsämter soll künftig eine Amtszeitbegrenzung von maximal zwei aufeinanderfolgenden Perioden von jeweils fünf Jahren gelten. Das werde auch in die Verfassung und die zugehörigen Gesetze aufgenommen, kündigte Castro an, allerdings müsse man darauf nicht warten, sondern solle bereits jetzt anfangen, die Regel schrittweise umzusetzen. Die Parteikonferenz ermächtigte das Zentralkomitee, Mitglieder in das oberste Parteigremium zu kooptieren. Das ist eine ausdrückliche Ausnahme für die beim Parteitag im vergangenen April begonnene Amtszeit. Die Zahl der so ohne Wahl in das ZK gelangten Mitglieder darf eine Gesamtzahl von 20 Prozent nicht übersteigen. Das Zentralkomitee darf außerdem entsprechend der von Parteitag und Parteikonferenz festgelegten Richtlinien die Statuten der Organisation an die neuen Bedingungen anpassen.

Erschienen am 31. Januar 2012 in der Tageszeitung junge Welt