Frei nach zwölf Jahren

Für Familie Moncayo ist der Alptraum zu Ende. Nach mehr als zwölf Jahren in der Gefangenschaft der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (FARC) kehrte am Dienstag gegen 17 Uhr Ortszeit der mittlerweile 30 Jahre alte Militärangehörige Pablo Emilio Moncayo zu seinen Verwandten zurück. Begleitet von der liberalen Senatorin Piedad Córdoba, dem katholischen Bischof Leonardo Gómez, einem Arzt und Vertretern des Internationalen Roten Kreuzes landete Moncayo in einem von der brasilianischen Regierung gestellten Hubschrauber in dem südkolumbianischen Ort Florencia, wo ihn die Seinen erwarteten.

Uribe blockt

Tatsächlich drohte die Freilassung Moncayos zu scheitern. Wie Córdoba nach ihrer Rückkehr berichtete, wurde die Delegation an dem ihr zuvor benannten Ort nur von zwei Guerilleros in Zivilkleidung erwartet. Sie sollten die Delegation anschließend an den eigentlichen Ort der Übergabe bringen. Dies verzögerte sich jedoch um mehr als eine Stunde, weil es Angaben der FARC zufolge in dieser Region entgegen der Sicherheitsabsprachen Überflüge durch das kolumbianische Militär gegeben habe.

Kolumbiens Staatschef Álvaro Uribe hatte in den vergangenen Monaten mehrfach deutlich gezeigt, daß er an einer humanitären Lösung des Gefangenendramas kein Interesse hat. Bereits vor fast einem Jahr, im April 2009, hatten die FARC die bedingungslose Freilassung Moncayos angekündigt, die Regierung müsse jedoch die dafür notwendigen Sicherheitsgarantien abgeben. Das verweigerte Uribe über Monate hinweg. Noch am Tag der Freilassung selbst spielte die Regierung in Bogotá eine negative Rolle. Während in Florencia die Familienangehörigen und Journalisten auf Moncayos Rückkehr warteten, stellte sich der Hochkommissar für den Frieden, Frank Pearl, am selben Ort vor die Presse und verlas eine Erklärung der Regierung. Darin warf diese dem lateinamerikanischen Fernsehsender TeleSur vor, sich zum Sprachrohr der »verbrecherischen Entführerorganisation« FARC zu machen, indem der Kanal entgegen der Sicherheitsabsprachen ein Fernsehteam an den Ort der Übergabe entsandt habe. Córdoba und Hochwürden Gómez müßten erklären, warum sie dort die Anwesenheit von Fernsehkameras zugelassen hätten.

Die Angegriffenen wiesen die Erklärung kategorisch zurück. Als Córdoba direkt nach ihrer Rückkehr von den versammelten Journalisten auf die Vorwürfe angesprochen wurde, zeigte sie sich verletzt. Nach all den Anstrengungen, die sie gemeinsam mit den anderen Mitgliedern in den vergangenen Tagen unternahm, habe sie es nicht verdient, »nun von der Regierung an die Wand gestellt zu werden«. Sowohl die Senatorin als auch der Bischof erklärten, sie hätten am Ort der Übergabe keine Fernsehkameras gesehen. TeleSur selbst wies die Anschuldigungen in einer offiziellen Erklärung ebenfalls zurück. Die kurzen Aufnahmen von Pablo Emilio Moncayo kurz vor der Freilassung und während der Übergabe an die Senatorin Córdoba seien dem Kanal ebenso wie einigen anderen Sendern per E-Mail zugespielt worden. Offenbar wolle die Regierung in Bogotá kontrollieren, welche Bilder von solchen Ereignissen festgehalten würden. Das sei eine Verletzung der Meinungs- und der Pressefreiheit.

Ohrfeige für Bogotá

Als eine »Ohrfeige« für die kolumbianische Regierung empfanden die versammelten Journalisten auch die ersten Erklärungen von Pablo Emilio Moncayo nach seiner Rückkehr. Ausdrücklich bedankte er sich »bei Gott und meinem Vater«, den Mitgliedern der humanitären Kommission sowie den Präsidenten von Ecuador, Venezuela und Brasilien – Rafael Correa, Hugo Chávez und Lula da Silva – für deren Einsatz. Den kolumbianischen Staatschef Uribe hingegen erwähnte er mit keinem Wort.

Für 22 von den FARC festgehaltene Soldaten und Polizisten und deren Familien geht der Alptraum weiter. In Florencia keimte am Dienstag die Hoffnung auf, daß die Freilassung Moncayos sowie die bereits am vergangenen Sonntag erfolgte Übergabe des vor knapp einem Jahr gefangengenommenen Soldaten Josué Calvo die Chancen für einen humanitären Austausch der Festgesetzten zwischen der Guerilla und der Regierung erhöhe. Auch die FARC sprachen sich in einem Kommuniqué dafür aus: »Mit dieser einseitigen Geste gehen die FARC-EP davon aus, daß der Weg zu einem sofortigen Austausch der Kriegsgefangenen frei ist, der einzigen Möglichkeit, damit die Gefangenen im Urwald ebenso wie die gefangenen Guerilleros in den Kerkern Kolumbiens und der USA ohne Schaden an ihrer Gesundheit in die Freiheit zurückkehren können.«

Erschienen am 1. April 2010 in der Tageszeitung junge Welt