Folter in Syrien: Geheuchelte Empörung

In Syrien wird gefoltert! Nachdem britische, türkische und US-amerikanische Medien pünktlich vor Beginn der Friedensverhandlungen in Montreux und Genf Fotos mutmaßlicher Folteropfer veröffentlicht haben, überschlagen sich auch hierzulande Fernsehnachrichten und Tageszeitungen mit Horrorberichten. Kritisches Hinterfragen der anonymen Quelle – fast immer Fehlanzeige. Selbst der Hinweis darauf, daß mit dem Golfemirat Katar eine direkt auf seiten der Aufständischen in den syrischen Krieg verwickelte Macht den wie gerufen kommenden Bericht in Auftrag gegeben hat, wird oft unterschlagen.

 

Dabei ist die systematische Folter in syrischen Gefängnissen seit Jahren und Jahrzehnten kein Geheimnis. Die Aufmerksamkeit, die die Zustände dort plötzlich bekommen haben, steht jedoch in auffälligem Kontrast zu dem geringen Platz, den Berichte über Mißhandlungen vor Beginn des Krieges gefunden haben – als der syrische Präsident Baschar Al-Assad noch als Partner vom »Westen« umworben wurde.

Wer erinnert sich an Muhammad Haidar Zammar? Der im syrischen Aleppo geborene deutsche Staatsbürger war im Dezember 2001 in Marokko festgenommen und an den US-Geheimdienst CIA übergeben worden. Dieser verschleppte den mutmaßlichen Islamisten nach Syrien einem Bericht des US-Magazins Time zufolge übersandten die nordamerikanischen Behörden Fragen nach Damaskus. Diese stellten die syrischen Kollegen dann dem Gefangenen. Auch Fragen des deutschen BND sollen auf diesem Weg beantwortet worden sein. Das sei für die Ermittler bequem gewesen, weil sie nicht damit konfrontiert waren, wie die Syrer zu den Antworten kamen.

Der frühere UN-Sonderberichterstatter über Folter, Manfred Nowak, berichtet in seinem 2012 erschienenen Buch »Die Alltäglichkeit des Unfaßbaren« ebenfalls über die enge Kooperation der Geheimdienste der USA und Jordaniens mit den syrischen Behörden und nennt den Fall des kanadischen Staatsangehörigen Maher Arar, der 2002 in New York festgenommen, nach Jordanien geflogen und dann an die syrische Grenze gebracht worden war. Die Folter übernahmen dann die Syrer. Später erhielt er für die erlittenen Mißhandlungen von der kanadischen Regierung, die seine Freilassung betrieben hatte, eine Entschädigung in Höhe von umgerechnet sieben Millionen Euro. Haidar Zammar sitzt hingegen bis heute im syrischen Gefängnis – von einem Einsatz der Bundesregierung für den deutschen Staatsbürger ist nichts bekannt.

Die derzeitige Medienkampagne um die abscheulichen Folterungen hat also wenig mit ehrlicher Empörung zu tun – sehr viel aber mit dem Versuch, eine politische Lösung des Konflikts in Syrien zu verhindern. Es gibt mächtige Kräfte, die kein Interesse an Frieden in der Region haben. Die Führungen in Katar, Saudi-Arabien und der Türkei sowie große Teile des Establishments in den USA, Großbritannien und Deutschland gehören dazu.

Erschienen am 23. Januar 2014 in der Tageszeitung junge Welt und am 25. Januar 2014 in der türkischen Zeitung Evrensel