Flächenbrand in Afrika

Nach Beginn der französischen Militärintervention in Mali greift der dortige Krieg offenbar auf die Nachbarländer über. In Algerien überfiel ein Kommando mutmaßlicher Islamisten am Mittwoch einen Standort des Ölkonzerns BP in der Region von Tiguentourine im Zentrum des Landes, auf halber Strecke zwischen Libyen und Mali. Dabei wurden der algerischen Nachrichtenagentur APS zufolge ein Franzose getötet und sieben weitere Menschen verletzt. Mehrere Angestellte des Ölkonzerns wurden verschleppt. Einer der Angreifer erklärte in einem Anruf bei der französischen Agentur AFP, seine Gruppe komme aus Mali.

Algerien hatte sich lange einer ausländischen Militärintervention in Mali widersetzt. Inzwischen hat die Regierung in Algier der französischen Luftwaffe jedoch uneingeschränkte Überflugrechte eingeräumt. Die französische Tageszeitung L’Humanité vermutet, daß dieser »Blankoscheck« Mitte Dezember beim Besuch von Staatschef François Hollande in Algier ausgehandelt wurde.

Obwohl in Frankreich Umfragen zufolge eine Mehrheit der Bürger die Intervention unterstützt, wächst die Kritik. Die Französische KP bemängelte, daß die Entscheidung zum Krieg ohne Einbeziehung des Parlaments getroffen worden sei. Die Militärintervention beseitige nicht die Notwendigkeit einer politischen Lösung und eines Dialogs mit den Rebellengruppen. Zudem kritisierte die der Partei nahestehende L’Humanité die Informationspolitik der Regierung. Nach Mali entsandte Korrespondenten würden in Bamako festgehalten, die französische Armee lasse lediglich die Verbreitung »trivialer Bilder« zu. Einen Eindruck von der realen Lage im Kampfgebiet könnten sich die Journalisten deshalb nicht machen. Im Interview mit dem Blatt wies der Wissenschaftler Pierre Boilley vom Zentrum für Studien der afrikanischen Welten auf die Mitverantwortung der einstigen Kolonialmacht hin. So habe Paris den Süden des damaligen Französisch-Sudan bis zur Unabhängigkeit 1960 »sehr direkt« beherrscht. Der Norden sei hingegen als »wenig nützlich« betrachtet und deshalb nicht entwickelt worden.

Die französische Militärintervention wird von Deutschland aktiv unterstützt. Die Bundesregierung kündigte am Mittwoch an, zwei Transall-Flugzeuge zur Verfügung zu stellen, mit denen vor allem Soldaten der mit Frankreich verbündeten afrikanischen Staaten ins Land gebracht werden sollen. Die ersten 190 Kämpfer aus Nigeria sollten noch am Mittwoch in Mali eintreffen.

Um die Heimatfront kümmerte sich erstmal Bundespräsident Joachim Gauck. Er besuchte am Mittwoch das Einsatzführungskommando der Bundeswehr in Geltow bei Potsdam, um sich, wie es hieß, einen Überblick über die nicht weniger als elf derzeit laufenden Auslandseinsätze deutscher Soldaten zu verschaffen, die unter anderem in Afghanistan, der Türkei, im Sudan, Südsudan, Kongo und am Horn von Afrika stationiert sind.

Zeitgleich empfing Bundeskanzlerin Angela Merkel in Berlin den ivorischen Staatschef Alassane Ouattara, der Anfang 2011 selbst durch eine französische Militärintervention in Côte d’Ivorie (Elfenbeinküste) an die Macht gebracht worden war. Dabei schloß sie eine Ausweitung der deutschen Beteiligung am Krieg in Nordafrika nicht aus, . Sie werden am kommenden Montag mit Hollande besprechen, »ob es weitere Erwartungen gibt«. Der »Terrorismus« im Norden Malis sei »nicht nur eine Bedrohung für Afrika, sondern auch für Europa«. Es herrsche »hoher Zeitdruck«.

Erschienen am 17. Januar 2013 in der Tageszeitung junge Welt