Extrem negativ

Mehrere hundert Menschen haben am Sonntag (Ortszeit) in mehreren Städten Ecuadors gegen die von Staatschef Rafael Correa angekündigte Erdölförderung im Yasuni-Nationalpark demonstriert. Damit blieb die Beteiligung deutlich hinter den Hoffnungen der Organisatoren zurück. Die meist jungen Aktivisten von Studenten- und Umweltgruppen forderten, das Volk in einem Referendum über die Nutzung entscheiden zu lassen. Correa hatte am vergangenen Donnerstag in einer Fernsehansprache angekündigt, in einem Teil des Nationalparks mit der Rohstofförderung zu beginnen. Das sei notwendig, weil die von seiner Regierung vor sechs Jahren gestartete Initiative »Yasuni-ITT« erfolglos geblieben sei.

 

Die ecuadorianische Regierung hatte angeboten, die in dem als »Yasuni-ITT« bekanntgewordenen Gebiet lagernden Bodenschätze nicht anzutasten, wenn die Weltgemeinschaft dem südamerikanischen Land im Gegenzug die Hälfte der ihm dadurch entgehenden Einnahmen ersetzen würde. Der Nationalpark gilt als eines der Gebiete mit der größten Biodiversität weltweit. Zudem existieren in ihm zwei der letzten isoliert lebenden Indígena-Stämme, die Tagaeri und die Taromenane. Die Zahlungen der Industrienationen sollten durch den UN-Entwicklungsfonds UNDP verwaltet werden und sozialen sowie Umweltschutzprojekten in Ecuador zugute kommen. Verbal waren die Reaktionen auf diese von Ecuador 2007 vor der UN-Vollversammlung vorgestellte Idee international positiv, doch nach sechs Jahren mußte Ecuadors Vizepräsident Jorge Glas am vergangenen Mittwoch eine ernüchternde Bilanz ziehen. Ziel sei es gewesen, innerhalb von zwölf Jahren 3,6 Milliarden US-Dollar zu sammeln, was der Hälfte der potentiellen Einnahmen aus den Feldern Ishpingo, Tambococha und Tiputini (deshalb Yasuni-ITT) gewesen wäre. Bislang habe die internationale Sammlung jedoch Zusagen von nicht mehr als 336 Millionen Dollar ergeben.

In einem Gespräch mit der kubanischen Nachrichtenagentur Prensa Latina machte Ecuadors Botschafter in Berlin, Jorge Jurado, am Wochenende die deutsche Bundesregierung und speziell Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) mitverantwortlich für das Scheitern des Projektes. Viele Länder hätten auf eine Entscheidung Berlins gewartet, um auf dieser Grundlage ihre eigenen Beschlüsse zu fassen, so der Diplomat. Die Blockade der Bundesregierung sei deshalb »extrem negativ«gewesen.

Das Scheitern des Projekts hatte sich bereits seit zwei Jahren abgezeichnet. Im Oktober 2011 etwa tönte Niebel in einem Interview: »Ich zahle nicht für Unterlassen.« Vor allem hatte die Bundesregierung gefordert, es müsse sichergestellt werden, daß das Yasuni-ITT-Projekt nicht zu einem »Präzedenzfall« werde, daß also andere Länder ebenfalls die Industriestaaten für den Umweltschutz in Mithaftung nehmen könnten. Damit setzte sich die Regierung über einen im Juni 2008 von CDU/CSU, SPD und Grünen gemeinsam im Bundestag eingebrachten und verabschiedeten Antrag hinweg, in dem das Projekt ausdrücklich als »von besonderer Bedeutung für den Erhalt eines weltweit einmaligen Biosphärenreservates und für den Schutz der dort lebenden indigenen Völker« begrüßt und die Bundesregierung aufgefordert wurde, sich »finanziell zu beteiligen«. Doch schon im November 2010 lehnte eine Bundestagsmehrheit aus CDU/CSU und FDP einen Antrag der Linksfraktion ab, im Haushalt 2011 Mittel für Yasuni-ITT einzuplanen.

Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Ute Koczy, die sich in den vergangenen Jahren engagiert für eine Unterstützung des ecuadorianischen Umweltschutzprogramms eingesetzt hatte, sieht deshalb eine »große Mitschuld« der »internationalen Gemeinschaft«.

In seiner Ansprache am vergangenen Donnerstag hatte Correa erklärt, die Welt habe Ecuador im Stich gelassen. Er werde nun persönlich überwachen, daß die Erdölförderung weniger als ein Prozent des Nationalparks in Mitleidenschaft ziehen werde. Die Alternative sei, entweder Yasuni völlig unangetastet zu lassen und keine Mittel für die Befriedigung der Bedürfnisse der Bevölkerung zu haben oder 99 Prozent des Yasuni intakt zu lassen und über rund 18 Milliarden Dollar – so die gegenüber 2007 deutlich höhere aktuelle Schätzung – zu verfügen, um das Elend zu besiegen. »Die schlimmste Verletzung der Menschenrechte ist das Elend, und es wäre der größte Fehler, die Menschenrechte angeblichen Rechten der Natur unterzuordnen.«

Erschienen am 20. August 2013 in der Tageszeitung junge Welt