Evo will noch mal

Mehr als 40.000 Menschen haben am Sonnabend in Cochabamba für eine Wiederwahl des bolivianischen Präsidenten Evo Morales bei der nächsten Wahl 2019 demonstriert. Damit der indigene Staatschef erneut antreten kann, ist eine Verfassungsänderung notwendig, über die das Volk Boliviens am 21. Februar in einem Referendum entscheiden soll. Das entsprechende Gesetz war vom Parlament in La Paz bereits im September verabschiedet worden.

Der Chef der Bauerngewerkschaft CSUTCB, Feliciano Vegamonte, sprach sich auf der Kundgebung am Sonnabend für die Änderung des Artikels 168 der Verfassung aus, damit »unser Bruder noch einmal wiedergewählt wird, um dieser Prozess weiter zu führen«. Evo Morales selbst erklärte, er habe sich nach seiner Wiederwahl 2014, bei der er mit mehr als 61 Prozent der Stimmen im Amt bestätigt worden war, auf seinen Abschied von der politischen Bühne nach Ablauf seiner Amtszeit 2020 eingestellt, um sich mehr um seine Familie kümmern zu können. Allerdings hätten ihm die sozialen Bewegungen und Gewerkschaften einen Strich durch die Rechnung gemacht, als sie die Initiative zur Verfassungsänderung ergriffen hätten. Im Falle seiner Wiederwahl 2019 werde er sich deshalb noch engagierter für die Verbesserung der Lebensbedingungen in Bolivien einsetzen. Schwerpunkt seiner Amtsführung werde die Entwicklungspolitik sein, bei der er sich auf die in den vergangenen zehn Jahren gesammelten Erfahrungen stützen könne. Bolivien sei heute eines der stabilsten Länder Lateinamerikas, betonte er: »Dank unseres Volkes und besonders der sozialen Bewegungen ist es uns gelungen, die gesellschaftliche Stabilität zu garantieren. Es gibt keine Demonstrationen mehr, die auf wirtschaftlicher oder politischer Ebene strukturelle Veränderungen verlangen oder den Rücktritt des Präsidenten fordern. Heute unterstützen die Massen ihre Führungspersönlichkeiten«, erklärte er.

Der 1959 geborene Evo Morales ist seit 2006 Präsident des Andenstaates. Als aus armen Verhältnissen stammender Kokabauer hatte er sich schon früh als Gewerkschafter für seine Kollegen eingesetzt. Bei der Wahl Ende 2005 wurde der Aymara als erster Angehöriger eines indigenen Volkes in das höchste Staatsamt Boliviens gewählt. Unter seiner Führung wurde eine neue Verfassung ausgearbeitet, die 2009 in einem Volksentscheid angenommen wurde. Seither versteht sich Bolivien als plurinationaler Staat, der den indigenen Gemeinschaften weitgehende Selbstbestimmungsrechte einräumt. Zudem führte Morales sein Land 2006 in die zwei Jahre zuvor von Kuba und Venezuela gegründete Bolivarische Allianz für die Völker Unseres Amerikas (ALBA). Dem antiimperialistischen Staatenbund gehören inzwischen zwölf Staaten der Region an.

Die Abstimmung am 21. Februar wird weit über Bolivien hinaus beobachtet. Nach den jüngsten Erfolgen der Rechten bei der Präsidentschaftswahl in Argentinien und bei der Parlamentswahl in Venezuela wäre ein Erfolg von Evo Morales beim Referendum ein Signal, dass der Vormarsch der Gegner fortschrittlicher Prozesse in Lateinamerika nicht unaufhaltsam ist. Umgekehrt würde eine Niederlage die Dynamik des »Rollback« verstärken.

Während sich der lateinamerikanische Fernsehsender Telesur mit Blick auf die große Popularität Morales’ überzeugt zeigt, dass dieser das Referendum gewinnen wird, prognostizieren Umfragen derzeit einen offenen Ausgang. Nachdem mehrere Erhebungen im Oktober einen Sieg des Regierungslagers vorausgesagt hatten, sah eine Studie des Instituts »Mercados y Muestras« Anfang Dezember die Gegner der Verfassungsänderung mit einer knappen Mehrheit vorn. Demnach sprachen sich 53 Prozent gegen eine Wiederwahl von Evo Morales aus. Das bedeutet jedoch keine Stärkung der Opposition. Eine hypothetische Wiederwahl von Regierungsgegnern wie dem Chef der Partei Unidad Nacional (UD), Samuel Doria Medina, wird der Umfrage zufolge von 72 Prozent der Befragten zurückgewiesen, den Christdemokraten und Expräsidenten Jorge Quiroga lehnen demnach sogar 77 Prozent ab.

Erschienen am 21. Dezember 2015 in der Tageszeitung junge Welt