EU-Lateinamerika-Gipfel in Madrid: Selbstbewußte Latinos

Während sich die Staats- und Regierungschefs der EU verzweifelt bemühen, ihr zerbröckelndes Gebilde zusammenzuhalten, treffen sie am heutigen Montag in Madrid auf selbstbewußte Kollegen aus Lateinamerika und der Karibik. Bereits im Vorfeld hatten die Präsidenten Südamerikas ein Zeichen gegen die Anerkennung des Putschregimes in Honduras durch die EU gesetzt und erzwungen, daß der honduranische Staatschef Porfirio Lobo nicht als offizieller Gast an dem Gipfeltreffen teilnehmen kann. Ecuadors Präsident Rafael Correa läßt sich hingegen als Wirtschaftsfachmann hofieren und nahm eine Einladung von Griechenlands Premierminister Papandreu an, der mit ihm über die schwere Wirtschaftskrise in Europa sprechen will. »Sie wissen, daß ich Ökonom bin. Hier in Ecuador verändern wir die Wirtschaftspolitik, und das mit sehr guten Resultaten«, unterstrich Correa und warnte, daß die Europäer einen Fehler begehen, wenn sie die »orthodoxe Politik des IWF« befolgten, »die normalerweise die Krisen verschärft und nicht löst«. Auch Boliviens Präsident Evo Morales ist mit von der Partie, der erst im April mit der »Weltkonferenz der Völker über den Klimawandel und die Rechte der Mutter Erde« einen Zeichen gegen die Farce der offiziellen UN-Klimagipfel setzen konnte. Venezuelas Präsident Hugo Chávez hat sich das Spektakel in Madrid hingegen geschenkt und mit der Entsendung eines Vizeaußenministers demonstriert, wie sehr ihm die Befindlichkeiten der Europäer egal sind.

Für Bauern, Arbeiter und andere Menschen in Mittelamerika könnte das Gipfeltreffen hingegen wenig erfreuliche Folgen haben. Am Dienstag wollen die Staatschefs Zentralamerikas und der EU ein Assoziationsabkommen unterzeichnen, sofern die stockenden Verhandlungen das zulassen . Da darf dann auch Lobo in der Runde dabei sein. Währenddessen protestieren Gewerkschaften, linke Parteien und Basisorganisationen der Region gegen die mit dem Abkommen verbundene verschärfte Ausbeutung der zentralamerikanischen Arbeiter durch transnationale Konzerne und das Wegbrechen der Absatzmärkte durch die Flut billiger Importe. Beim Alternativgipfel, der seit Freitag ebenfalls in Madrid tagt, versuchen sie, ihre Stimme hörbar zu machen. Doch die Staatschefs der EU werden sich, ebenso wie die meisten ihrer Kollegen aus Zentralamerika, diesen Forderungen gegenüber taub stellen. Wenn es um die Geschäfte europäischer Konzerne geht, paktieren sie auch mit Putschisten. Die Reden über Menschenrechte werden dann erst wieder herausgekramt, wenn es nichts kostet. Oder natürlich, wenn man damit einer Regierung an den Karren pinkeln kann, die nicht das tut, was Brüssel und Washington für gut befunden haben.

Danach richten sich die Regierungen Südamerikas jedoch immer weniger. Am Sonntag traf sich Brasiliens Präsident Lula da Silva in Teheran mit dem iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad– ungeachtet der Kritik aus USA und Europa.

Erschienen am 17. Mai 2010 in der Tageszeitung junge Welt