Erschießen und wegsperren

Nach dem Wahlsieg des Faschisten Jair Bolsonaro am vergangenen Sonntag steht Brasilien ein reaktionärer Umbau des Staates bevor. In seinem ersten Fernsehinterview nach der Wahl bekräftigte der künftige Staatschef dem Sender Record TV gegenüber seine harte Linie. So werde man alle Aktionen der Bewegung der Landlosen (MST) und der Obdachlosen (MTST) künftig als »Terrorismus« verfolgen, kündigte der Exmilitär an. »Soll das Gefängnis die Alternative dazu sein, auf der Straße oder am Rande der Verkehrswege zu leben?« fragte deshalb am Dienstag Nacho Lemus vom lateinamerikanischen Fernsehsender Telesur. In Brasilien fehlen sechs Millionen Wohnungen, ein Prozent der Landbesitzer verfügt über 45 Prozent des gesamten Grund und Bodens.

Am Montag (Ortszeit) besetzten rund 100 Indígenas in Curitiba den Sitz der Gesundheitsbehörde Funasa, um gegen die Drohungen der künftigen Machthaber und Angriffe der Großgrundbesitzer zu protestieren. In zahlreichen Städten waren zudem am Dienstag (Ortszeit) Kundgebungen und Demonstrationen zur Verteidigung der Verfassung und gegen den reaktionären Umbau angekündigt.

Bolsonaro sieht Brasilien als »im Krieg« befindlich an, wie er ­Record TV sagte. Der designierte Staatschef will deshalb den Erwerb von Feuerwaffen erleichtern und forderte die Polizei auf, öfter zu schießen. Je mehr Tote es durch den Einsatz der Beamten gebe, desto mehr werde die Gewalt zurückgehen, behauptete er. Auch ein Lastwagenfahrer, der einen Dieb erschieße, der ihm den Ersatzreifen stehlen wolle, habe in »rechtmäßiger Notwehr« gehandelt.

Bolsonaros wichtigste Unterstützer melden derweil bereits ihre Ansprüche an. So verlangte der mächtige Zusammenschluss evangelikaler Parlamentsabgeordneter eine »Modernisierung des Staates«. Darunter verstehen die Religiösen einem Bericht der Zeitschrift Fórum zufolge unter anderem die Abschaffung des Kultur-, des Wissenschafts- und des Umweltministeriums.

Erschienen am 31. Oktober 2018 in der Tageszeitung junge Welt