Entschuldigung verlangt

Ein einfaches »Bedauern«, wie es Paris am Donnerstag ausgesprochen hat, reicht nicht. Bei einem kurzfristig einberufenen Gipfeltreffen der Union Südamerikanischer Nationen (UNASUR) haben die Staatschefs von Argentinien, Ecuador, Venezuela, Uruguay, Surinam und Bolivien am Donnerstag (Ortszeit) im bolivianischen Cochabamba von Frankreich, Spanien, Portugal und Italien eine öffentliche Entschuldigung für die Evo Morales in der Nacht zum vergangenen Mittwoch verweigerte Überfluggenehmigung verlangt.

 

Evo Morales hatte sich auf dem Rückweg vom Gipfeltreffen der erdgasexportierenden Länder in Moskau befunden, als das Gerücht aufkam, der US-Geheimdienstaussteiger Edward Snowden befinde sich an Bord der Maschine. Daraufhin sperrten die vier europäischen Länder ihren Luftraum für das Flugzeug, das daraufhin in Wien notlanden mußte. In Bolivien wurde das als »Entführung« verurteilt. Auch in den Nachbarländern war die Empörung groß, so daß umgehend eine außerordentliche Konferenz einberufen wurde. In der gemeinsamen Abschlußerklärung wird von den europäischen Regierungen eine Erläuterung verlangt, was die Ursachen für den Eklat gewesen sind. Auffällig war aber das Fehlen einiger Regierungen bei dem Treffen. »Es gab Länder, die sich widersetzt und diesen Präsidentengipfel blockiert haben«, kritisierte Ecuadors Präsident Rafael Correa zum Abschluß der Beratungen. Während Brasilien zumindest den wichtigsten außenpolitischen Berater von Präsidentin Dilma Rousseff, Marco Aurelio, nach Bolivien geschickt hatte, wurden in Cochabamba die Staatschefs von Peru, Chile, und Kolumbien »vermißt«, wie die staatliche bolivianische Nachrichtenagentur ABI formulierte.

Die anwesenden Staatschefs waren sich sicher, daß Washington hinter der »Geiselnahme« steckt. Die USA hätten das Gerücht über die Präsenz Snowdens gestreut und die europäischen Regierungen zu deren Schritt getrieben, hieß es. Dafür spreche auch der »bizarre« Auslieferungsantrag für Snowden, den Washington in Bolivien eingereicht hatte, während Morales noch in Wien festsaß. Der Präsident drohte deshalb am Donnerstag mit einer Schließung von deren diplomatischer Vertretung. Die ist ohnehin nur mit einem Geschäftsträger besetzt, seit der damalige Botschafter 2008 wegen Verwicklung in einen Putschversuch ausgewiesen worden war. »Wir brauchen keine Botschaft der Vereinigten Staaten«, erklärte Morales am Donnerstag bei einer Kundgebung am Rande des Gipfeltreffens in Cochabamba. »Ohne die Vereinigten Staaten stehen wir wirtschaftlich und demokratisch besser da. Ohne die Weltbank und den Internationalen Währungsfonds geht es uns wirtschaftlich besser, deshalb brauchen wir sie nicht. Wir haben andere Verbündete, vor allem die Präsidenten Lateinamerikas und der Karibik.« Grund für die Attacken aus dem Norden sei, daß »Bolivien einen antiimperialistischen, indigenen Präsidenten hat, der beweisen konnte, daß er besser regieren kann, als die Neoliberalen.«

Die spanische Regierung verweigert weiter eine Entschuldigung. Nachdem Madrid zunächst abgestritten hatte, daß es überhaupt eine Überflugverweigerung gegeben habe, räumte Innenminister José Manuel García-Margallo am Freitag gegenüber dem spanischen Fernsehen TVE ein, daß eine vermutete Anwesenheit Snowdens die Ursache für den Eklat gewesen sei. Es gebe aber keinen Grund, um Verzeihung zu bitten, denn schließlich habe man der Präsidentenmaschine doch noch die Zwischenlandung erlaubt. Auf die Frage, ob es währenddessen Kontakte zwischen Washington und Madrid gegeben habe, verweigerte der Minister die Auskunft. Das sei »geheim«.

Venezuelas Präsident Nicolás Maduro, bei dessen Rückflug aus Europa es am Donnerstag zu keinen Zwischenfällen gekommen war, konterte die Haltung Madrids und warnte, wenn der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy den venezolanischen Luftraum passieren wolle, könnte Caracas dessen Maschine zum Landen zwingen und kontrollieren, » ob er Drogen oder die Euros, die er dem spanischen Volk gestohlen hat, dabei hat«. Die Tatsache, daß Gerüchte um Edward Snowden der Auslöser für den Eklat gewesen waren, kommentierte Maduro mit den Worten: »Der Imperialismus läuft Amok wegen dieses jungen Mannes, der die Wahrheit enthüllt hat, wie das nord­amerikanische Imperium versucht, die ganze Welt auszuspionieren und zu kontrollieren.« Mit Blick auf eine von Washington ebenfalls auch in Venezuela beantragte Auslieferung Snowdens sagte Maduro, die US-Administration solle erstmal den Terroristen Luis Posada Carriles überstellen. Der in Miami lebende CIA-Agent wird von der venezolanischen Justiz für den Sprengstoffanschlag auf ein kubanisches Verkehrsflugzeug verantwortlich gemacht, das am 6. Oktober 1976 aus Venezuela kommend in der Luft explodierte. 73 Menschen wurden damals getötet. Der daraufhin festgenommene und inhaftierte Posada wurde 1985 mit Hilfe des US-Geheimdienstes aus einem venezolanischen Gefängnis befreit. Eine von Caracas beantragte Auslieferung verweigert Washington bis heute.

Erschienen am 6. Juli 2013 in der Tageszeitung junge Welt