Entführter Gouverneur tot

Luis Francisco Cuéllar ist tot. Der am Montag abend (Ortszeit) in der Provinzhauptstadt Florencia entführte Gouverneur des im Süden Kolumbiens gelegenen Departamentos Caquetá wurde keine 24 Stunden später in einem Vorort der Stadt ermordet aufgefunden. Der kolumbianische Präsident Álvaro Uribe machte umgehend die Guerilla der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (FARC) für das Verbrechen verantwortlich. »Weil sie von den Sicherheitskräften verfolgt wurden, haben die Terroristen dem Herrn Gouverneur die Kehle durchgeschnitten, um nicht schießen zu müssen«, sagte Uribe in Bogotá. Der Staatschef forderte die Armee auf, alle Gefangenen der Guerilla militärisch zu befreien.
Diese Forderung hat der als »Friedenswanderer« bekannt gewordene Lehrer Gustavo Moncayo entsetzt zurückgewiesen. Der Vater des seit zwölf Jahren von den FARC gefangengehaltenen Soldaten Pablo Emilio Moncayo, dessen angekündigte Freilassung durch die jüngsten Ereignisse in weite Ferne gerückt sein dürfte, warnte, daß Militär­operationen das Leben seines Sohnes und der anderen Gefangenen in Gefahr brächten.

Zugleich wachsen jedoch auch die Zweifel, ob tatsächlich die Guerilla hinter dem Anschlag auf den Gouverneur steht. Miguel Suárez verweist in Café Stereo, einem von kolumbianischen Journalisten im schwedischen Exil betriebenen Webradio, auf die geringe Zahl von Polizisten, die den Politiker zum Zeitpunkt des Überfalls beschützten. »Wenn sie, wie ein hoher Offizier erklärte, wußten, daß die FARC ›etwas Großes‹ planten, warum ließen sie die Residenz des Gouverneurs dann nur von zwei Polizisten bewachen, die von der angeblichen Guerillagruppe leicht überwältigt werden konnten?« Überhaupt sei die Region weniger von Aktivitäten der Guerilla geprägt, sondern vielmehr von einem »Krieg« zwischen rechten Paramilitärs und der Copa-Mafia.

Bereits im November 2008 hatte Radio Santa Fé aus Bogotá berichtet, die kolumbianische Staatsanwaltschaft habe Ermittlungen gegen Gouverneur Cuéllar wegen dessen mutmaßlicher Verbindungen zu paramilitärischen Gruppen aufgenommen. Gestützt hatten sich die Ermittlungen damals auf Aussagen des früheren Paramilitärs Luis Alberto Medina, genannt »Cristomalo«, der ausgesagt hatte, daß der Gouverneur ebenso wie die Bürgermeisterin von Florencia, Patricia Farfán, Verbündete der Todesschwadronen seien. Cuéllar habe den damaligen obersten Chef der Paramilitärs, Carlos Castaño, bereits 1997 gebeten, eine »Selbstverteidigungsgruppe« in dem Departamento zu installieren. Auch Geldmittel seien von der Provinzregierung an die Paramilitärs geflossen.

Erschienen am 24. Dezember 2009 in der Tageszeitung junge Welt