Eklat in Buenos Aires

Der Konflikt zwischen Venezuela und den Gründungsmitgliedern des südamerikanischen Wirtschaftsbündnisses Mercosur eskaliert. Am Mittwoch verweigerten die Regierungen Argentiniens, Brasiliens, Paraguays und Uruguays der venezolanischen Außenministerin Delcy Rodríguez die Teilnahme an einem Gipfeltreffen der Organisation in Buenos Aires.

Rodríguez war in die argentinische Hauptstadt gereist, obwohl ihr nach Aussagen der Gastgeber mitgeteilt worden war, dass Venezuela nicht eingeladen sei. Begleitet von ihrem bolivianischen Amtskollegen David Choquehuanca verschaffte sie sich dennoch Zugang zum vorgesehenen Versammlungssaal, obwohl Sicherheitskräfte gewaltsam versuchten, die zierliche Frau daran zu hindern. Rodríguez hatte schon zuvor angekündigt, notfalls »durch das Fenster« zu klettern, wenn ihr die Türen verschlossen würden.

Die Außenminister blieben aber bei der Verweigerung des Dialogs und verlegten ihr Treffen kurzfristig an einen anderen Ort. Argentiniens Chefdiplomatin Susana Malcorra verteidigte anschließend diese Entscheidung. Venezuela könne nicht »Teil einer Organisation sein und die Privilegien genießen, ohne die eingegangenen Verpflichtungen zu erfüllen«. Caracas wird vorgeworfen, den 2006 unterzeichneten und 2012 in Kraft getretenen Vertrag über den Beitritt zum Mercosur nicht vollständig erfüllt zu haben. Die venezolanische Regierung ihrerseits weist darauf hin, dass man selbst 95 Prozent umgesetzt habe, während einige andere Länder weniger als 75 Prozent der Vorgaben erfüllen.

Vor dem ursprünglichen Konferenz­ort in Buenos Aires versammelten sich am Mittwoch Hunderte Mitglieder linker Parteien und Organisationen, um ihre Solidarität mit Venezuela zu zeigen. Rodríguez erklärte auf der Kundgebung, dies sei »ein trauriger Tag für unseren Kontinent«. »Die Völker der Welt sind Zeugen, dass wir gekommen sind, um zu sprechen, aber uns die Türen zum Dialog leider verschlossen wurden.« Es sei nicht hinnehmbar, dass sie von einem argentinischen Polizisten körperlich angegangen worden sei. Das sei nicht nur eine Verletzung ihrer diplomatischen Immunität, sondern auch eine Aggression gegen sie als Frau.

Der Generalsekretär des Gewerkschaftsbundes CTA in der Provinz Buenos Aires, Roberto Baradel, verurteilte den Ausschluss der Bolivarischen Republik und die Übergriffe auf Rodríguez. Argentinien habe »einen internationalen Skandal« verursacht, so der Gewerkschafter. Es sei nicht zu akzeptieren, dass der venezolanischen Außenministerin der Zutritt zu dem Treffen verweigert und sie sogar von Angehörigen der argentinischen Sicherheitskräfte attackiert worden sei. »Wir sind hier, um den Außenministern Venezuelas und Boliviens unsere Unterstützung auszudrücken, und für die Integration unserer Völker. Wer suspendiert werden müsste, ist Brasilien, das zum Opfer eines institutionellen Putsches geworden ist.«

Nach dem Eklat beschränkte sich Rodríguez darauf, die Haltung von Argentinien, Brasilien und Paraguay zu kritisieren, die als »Dreierallianz« einen »Putsch gegen den Mercosur« durchgeführt hätten. Uruguay erwähnte sie nicht. Dessen Regierung hatte im Vorfeld der Tagung erklärt, Venezuela habe das Recht auf Teilnahme an allen Organen des Mercosur, allerdings ohne Stimmrecht. Zu den jüngsten Ereignissen äußerte sich die Regierung in Montevideo zunächst nicht. Zu Wort meldeten sich allerdings mehrere linke Parteien, die dem in Uruguay regierenden Bündnis Frente Amplio angehören. So verbreitete der alternative Rundfunksender CX 36 Radio Centenario ein Kommuniqué von Frauen der »Bewegung 26. März«, in dem die »feige Aggression« der argentinischen Polizei gegen Venezuelas Außenministerin verurteilt wurde. Der Gewerkschaftsbund PIT-CNT empfing Rodríguez am Donnerstag in seinem Haus in Montevideo. Einer Meldung der kubanischen Agentur Prensa Latina zufolge war dort auch ein Treffen mit dem Vorsitzenden der Frente Amplio, Javier Miranda, vorgesehen. Wie lange das Kabinett von Staatschef Tabaré Vázquez den Spagat zwischen linken Unterstützern und rechten Nachbarn aushalten kann, ist offen.

Erschienen am 16. Dezember 2016 in der Tageszeitung junge Welt