Einladung an die Grenze

Der honduranische Präsident Manuel Zelaya hat einen für den heutigen Dienstag angekündigten Besuch in Washington bei US-Außenministerin Hillary Clinton abgesagt. »Wenn jemand mit mir sprechen will, soll er hierher nach Ocotal kommen; hier kann ich ihn empfangen«, sagte Zelaya in dem nicaraguanischen, unmittelbar an der Grenze zu Honduras gelegenen Ort Las Manos, an dem er seit dem vergangenen Freitag ausharrt. Zugleich kritisierte er, daß international zuwenig Druck auf die Putschisten in Tegucigalpa ausgeübt werde, die gegenwärtig »sehr schwach« seien. An die US-Administration gerichtet forderte Zelaya auf, sie solle der Diktatur »kraftvoll« entgegentreten. Präsident Barack Obama müsse jetzt handeln, damit deutlich werde, »welches die wirkliche Haltung seiner Regierung zu dem Staatsstreich ist«.

Unterdessen verschärft sich die Lage für mehrere tausend Menschen weiter, die an den Militärsperren zwischen der im Osten von Honduras gelegenen Ortschaft El Paraíso und der Grenze zu Nicaragua festsitzen. Tausende hatten versucht, den Grenzort zu erreichen, doch wird weiterhin eine nicht bekannte Zahl von ihnen weiter blockiert. Offenbar sollen die Betroffenen ausgehungert werden. Hilfslieferungen wie Lebensmittel, Medikamente und Trinkwasser, die durch Aufrufe des Rundfunksenders Radio Globo und der Widerstandsbewegung gesammelt werden konnten, erreichen die Bedürftigen nicht, weil das Militär den Transport der Güter verhindert.

Zu den an den Sperren festgehaltenen Menschen gehören auch Zelayas Mutter, Hortensia Rosales, seine Ehefrau Xiomara Castro und Zelayas Tochter Hortensia. Castro hatte am Wochenende ein Angebot des von den Putschisten eingesetzten »Übergangspräsidenten« Roberto Micheletti abgelehnt, ihr ein Privatflugzeug zur Verfügung zu stellen, um sie außer Landes zu bringen. »Ich will das Land nicht verlassen, denn ich bin kein Feigling. Ich will weiterhin gemeinsam mit dem Volk Widerstand leisten«, sagte sie gegenüber Radio Globo, einem der wenigen Rundfunksender des Landes, der sich den Versuchen der Putschisten widersetzt, die Ereignisse zu verschweigen. Ihre einzige Forderung sei, daß die Soldaten sie passieren lassen, damit sie sich an der Grenze mit ihrem Mann treffen könne, so Xiomara Castro.

Besonders dramatisch stelle sich die Lage in der rund zehn Kilometer von der Grenze zu Nicaragua entfernten Gemeinde Alauca dar, berichtet der Generalsekretär des Gewerkschaftsbundes CUTH, Israel Salinas. Dort seien rund 1000 Menschen von Elitetruppen der Streitkräfte eingeschlossen und könnten sich nirgendwohin bewegen, um Lebensmittel oder Trinkwasser zu erwerben. Auch den Einwohnern von El Paraíso werde verweigert, für die Eingeschlossenen Einkäufe zu erledigen oder sich gar mit ihnen zu solidarisieren. Die Menschen seien gezwungen, schmutziges Wasser zu trinken und alles zu essen, was sie finden können, was dramatische Folgen für ihre Gesundheit habe. »Das faschistische Regime hat aus Alauca ein Nazi-Konzentrationslager unter freiem Himmel gemacht«, warnte Salinas. »Wenn die Solidaritätsbewegung jetzt nicht handelt, wird Alauca zum honduranischen Guernica!«

Venezuelas Präsident Hugo Chávez hat unterdessen den Versuch Zelayas begrüßt, erneut nach Honduras einzureisen und nannte die Haltung des costaricanischen Präsidenten Oscar Arias »bedauerlich«. Nach dem Scheitern seiner Vermittlungsbemühungen hatte Arias am Wochenende erklärt, der Aufenthalt Zelayas an der Grenze zu seinem Land sei »nicht der Weg zur Lösung« der Krise in dem zentralamerikanischen Land. Chávez kritisierte, Arias wiederhole nur die Worte des State Department in Washington, »und das ist eines Präsidenten aus Lateinamerika unwürdig«. Wenn die Aktionen Zelayas nicht der Weg seien, welches sei er denn dann, fragte Chávez: »Die Kapitulation? Das Unmoralische?« Zelaya habe ihn um seine Meinung über das von Arias vorgeschlagene »Abkommen von San José« gefragt, das eine Rückkehr Zelayas unter Bedingungen wie einem Verzicht auf die Einberufung einer verfassunggebenden Versammlung und Straffreiheit für die Putschisten vorsah, und er habe ihm geantwortet, daß dies »eine Falle« sei. »Zum Glück ist er, glaube ich, schnell dieser Falle entkommen«, so der venezolanische Präsident.

Erschienen am 28. Juli 2009 in der Tageszeitung junge Welt