Duett auf Distanz

Es hat geklappt. In einer offenbar koordinierten Aktion haben sowohl die kolumbianische Regierung als auch die FARC-Guerilla am Dienstag (Ortszeit) die Aufnahme von Friedensverhandlungen offiziell bestätigt. Diese waren zwar bereits Anfang vergangener Woche durch Medieninformationen bekanntgeworden (jW berichtete), bislang hatten sich jedoch sowohl Präsident Juan Manuel Santos als auch die Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens mehr oder weniger an ihr selbstauferlegtes Schweigen gehalten. Während Santos lediglich bestätigte, man habe »Sondierungsgespräche« geführt, präsentierten sich die FARC mit einem skurrilen Musikvideo, in dem junge Guerilleros ihre Freude über die Verhandlungen rappten.

Ernsthaft gearbeitet

Am Dienstag mittag trat dann zunächst der Staatschef im Regierungspalast Casa de Nariño an die Öffentlichkeit. Umrahmt von Mitgliedern seines Kabinetts und hochrangigen Militärs würdigte er die Bereitschaft der Guerilleros zur Zusammenarbeit: »Wir haben ernsthaft gearbeitet, aber ich muß anerkennen, daß auch die FARC dies getan haben.« Zugleich beharrte er jedoch darauf, daß die Militäroperationen trotz der Verhandlungen weitergehen müßten und warnte sogar, daß die Gewalt zunächst sogar noch zunehmen könne.

Nur eine Stunde später traten im gut 2200 Kilometer entfernten Havanna Vertreter der FARC vor die in Kuba akkreditierten Journalisten und präsentierten eine Videobotschaft von Timoleón Jiménez (»Timochenko«, eigentlich Rodrigo Londoño Echeverri). Flankiert von Fahnen der FARC und der Klandestinen Kolumbianischen Kommunistischen Partei (PCCC), dem politischen Arm der Guerilla, rief der oberste Comandante der Aufständischen die Bevölkerung auf, durch Demonstrationen Druck auf die Regierung auszuüben, damit bei den Verhandlungen tiefgreifende soziale Veränderungen in Kolumbien als Voraussetzung für einen Friedensschluß erreicht werden könnten.

Das fast gleichzeitige Auftreten der beiden Verhandlungspartner war offenbar lange vorher vereinbart worden, und trotz massiven Drucks der Medien hatten sich beide Seiten an die Schweigepflicht gehalten. Verhindern konnten sie jedoch nicht, daß einzelne Informationen vorab durchsickerten. So verbreitete der Rundfunksender RCN in der vergangenen Woche bereits eine Fassung der zwischen der Regierung und der Guerilla ausgehandelten Agenda. Dabei handelte es sich offensichtlich um eine vorläufige Fassung, in der zum Beispiel noch das Enddatum der Vorgespräche fehlte. Eine offizielle Fassung mit den Unterschriften aller Beteiligten hat Bogotá inzwischen im Internet veröffentlicht.

Dem Frieden verpflichtet

Unmittelbar nach den beiden Statements meldeten sich die Länder zu Wort, die als Vermittler und Garanten wirken sollen. »Die kubanische Revolution ist dem Frieden in Kolumbien historisch verpflichtet«, teilte das Außenministerium in Havanna mit. Auf ausdrücklichen Wunsch der Regierung Kolumbiens und der FARC habe man seit über einem Jahr diskret das Bemühen um eine Verhandlungslösung unterstützt. Norwegens Außenminister Jonas Gahr Støre lobte den »Mut« der beiden Seiten: »Wir teilen die Hoffnung des kolumbianischen Volkes, daß eine friedliche Lösung gefunden werden kann.« Venezuelas Präsident Hugo Chávez begrüßte »die Reife und das Verantwortungsbewußtsein der politischen Akteure« und zitierte den auch in Kolumbien verehrten Nationalhelden Simón Bolívar: »Der Frieden wird mein Ruhm und meine Belohnung sein.«

Die Verhandlungen sollen in der ersten Oktoberhälfte in Oslo offiziell eröffnet und dann in Havanna fortgesetzt werden. Endlose Gespräche will Santos jedoch verhindern. Es gehe »um Monate, nicht um Jahre«. Sollte es keine Fortschritte geben, müßte der Dialog abgebrochen werden.

Erschienen am 6. September 2012 in der Tageszeitung junge Welt