Dramatischer Appell

Bei schweren Zusammenstößen zwischen der Polizei und protestierenden Indígenas sind am Dienstag in den südwestkolumbianischen Provinzen Cauca und Valle del Cauca mindestens ein Demonstrant getötet und mehr als 40 Menschen zum Teil schwer verletzt worden. Zu den Auseinandersetzungen war es gekommen, als die Sicherheitskräfte mit Tränengas und gezielten Schüssen gegen eine Straßenblockade von zunächst 7000 Menschen vorgingen, die mit ihrer Aktion gegen die zunehmende Gewalt in der Region protestieren wollten. Wie Sprecher der indigenen Gemeinden erklärten, wurden allein in diesem Jahr mehr als 20 Angehörige ihrer Gemeinschaften von paramilitärischen Banden und den staatlichen Sicherheitskräften ermordet.

Leben ohne Rechte

»Damals wie heute leben die amerikanischen Indígenas von Alaska und Grönland bis Feuerland in Argentinien ohne Rechte, ohne Freiheit, ohne Frieden und ohne Gerechtigkeit«, heißt es in einer von der indigenen Regionalorganisation von Valle del Cauca (Orivac) herausgegebenen Erklärung unter dem Titel »Warum wir demonstrieren«. Die Indígenas wehren sich auch gegen den zwischen Kolumbien und den USA ausgehandelten Freihandelsvertrag sowie gegen Gesetzesänderungen, durch die von den Indígenas als traditionelle Heimat angesehene Gebiete an private Konzerne abgetreten werden sollen. »Sie unterwerfen uns dem Schweigen, der Dummheit, der Zwangsarbeit, der Ausgrenzung und dem Tod«, heißt es in der Erklärung der Orivac, die zugleich gegen die Besetzung ihrer Gebiete durch Einheiten des South Command der US-Streitkräfte protestieren.

Die Vereinigung der indigenen Gemeinden im nördlichen Cauca (ACIN) weist Vorwürfe der kolumbianischen Regierung zurück, die Demonstranten seien mit Sprengstoff bewaffnet. General Orlando Páez hatte behauptet, die demonstrierenden Indígenas hätten eine Brücke in der Nähe des Kundgebungsortes vermint. Das beweise, so der für »öffentliche Sicherheit« zuständige Polizeidirektor, daß die Demonstranten mit der Guerrilla der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (FARC) in Verbindung stünden, denn »diese Indios wissen nicht, wie man mit Sprengstoff umgeht«. Deshalb müsse ihnen das Bombenbauen durch die Guerrilla beigebracht worden sein.

Schutz gefordert

Mit einem dramatischen Appell haben sich Sprecher der Demonstranten an den Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte gewandt, damit er den Opfern der Repression Schutz gewähre: »Der Staat antwortet mit unverhältnismäßiger Gewalt, um unsere Stimme mit Kugeln und Unterdrückung zum Schweigen zu bringen. Aus María Piendamó wurden wir informiert, daß die Gemeinde von der nationalen Armee umstellt ist und sich außerdem bewaffnete Zivilpersonen in den Bergen und nahe der Straße befinden, von denen die Gemeinde beschossen wird. Die Repression ist äußerst stark, aber trotzdem konnte die Straße weiter blockiert werden, wo etwa 9000 Menschen der Unterdrückung Widerstand leisten«.

Erschienen am 16. Oktober 2008 in der Tageszeitung junge Welt