Deutsche Außenpolitik: Überforderte Diplomaten

Diplomatisches Schaulaufen in Berlin: Chinas Vizepräsident Wang Qishan bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bundeskanzlerin Angela Merkel, US-Außenminister Michael Pompeo bei seinem deutschen Amtskollegen Heiko Maas und anschließend bei Merkel, Kubas Außenminister Bruno Rodríguez am Nachmittag bei Maas.

Anderswo wäre so etwas eine Steilvorlage für jeden Diplomaten, der eine Vermittlungsrolle übernehmen möchte. Doch die Bundesregierung und speziell Herr Maas sind mit solchen Aufgaben offenkundig überfordert. Während zum Beispiel die Regierung Norwegens die Konfliktparteien Venezuelas in dieser Woche an einen Tisch gebracht hat, setzt Berlin lieber auf einen Schmusekurs mit Washington. So ließ sich Maas am Freitag nach dem Treffen mit Pompeo von der Deutschen Presseagentur mit den Worten zitieren, Deutschland und die USA verfolgten in der Iranpolitik die gleichen Ziele, nämlich verhindern zu wollen, dass das Land in den Besitz von Atomwaffen komme. Okay, aber wie wäre es mit einer Forderung an Pompeo, die in der Bundesrepublik lagernden Massenvernichtungswaffen abzuziehen? Zum Thema China pflichtete Maas seinem nordamerikanischen Gast eifrig bei, dass auch die Bundesregierung Bedenken hinsichtlich des Kommunikationskonzerns Huawei habe. Dem Klima der Gespräche mit Wang Qishan dürfte das wenig förderlich gewesen sein. Aber immerhin konnte sich Maas so von Pompeo bescheinigen lassen, dass Deutschland ein wichtiger Partner und Verbündeter für die USA sei.

Da will man die Stimmung doch nicht trüben, indem man zum Beispiel den brandgefährlichen Aggressionskurs Washingtons gegen den Iran und andere Länder der Region anspricht. Und auch Kritik am Wirtschaftskrieg der USA gegen Kuba, Venezuela und andere Länder wäre der Harmonie nicht zuträglich. Das gilt wohl auch für die unterschiedlich gewichtete Berichterstattung über die verschiedenen Besucher. Zum Treffen zwischen Maas und Rodríguez gab es bis jW-Redaktionsschluss am Freitag nur eine dürre Vorabmeldung aus zwei Sätzen. Bei dem Gespräch werde es »vor allem um bilaterale und regionale Themen gehen«, hieß es darin. Die Visite Pompeos wurde dagegen mit vielen Fotos und ausführlichen Berichten abgefeiert.

Bruno Rodríguez wird das wenig überrascht haben. Er hatte schon im Vorfeld eine dezente Duftnote gesetzt und seine Teilnahme an der »Lateinamerika-Konferenz« abgesagt, zu der Maas am Dienstag und Mittwoch mit Ausnahme des venezolanischen die Außenminister der Region nach Berlin eingeladen hatte. Rodríguez hatte es vorgezogen, in China Gespräche zu führen und lieber erst nach Abschluss der Versammlung in Berlin vorbeizuschauen. Anstandshalber wurde eine Vizeministerin zur Konferenz geschickt, um sich die Reden von Maas und Siemens-Chef Joe Kaeser anzuhören sowie sich für das Gruppenfoto aufzustellen.

Erschienen am 1. Juni 2019 in der Tageszeitung junge Welt