Der Schwarze Kanal: Alles Antisemiten

Seltenes Lob für das Neue Deutschland aus ungewohnter Ecke. Die Wochenzeitung Jungle World bejubelt die Berichterstattung der »sozialistischen Tageszeitung« über die Gaza-Flottille: »Das Neue Deutschland kann sich diesmal nicht so richtig für die Gazaflotilla erwärmen«, was wohl daran liege, daß diesmal keine Linkspartei-Abgeordneten an Bord sind. »Und außerdem häufen sich da im Vorfeld so einige Dinge, die, na ja, man doch besser jetzt schon meldet, um nicht nachher, wie beim letzten Mal, blöd dazustehen«, schreibt Thomas von der Osten-Sacken im Internetblog des Blattes. Wobei unklar bleibt, was ein Sexverbot in den Teilnahmerichtlinien mit dem Massaker zu tun hat, das israelische Soldaten im vergangenen Jahr bei der Erstürmung der ersten Flottille anrichteten. Neun türkische Teilnehmer stehen nicht mehr »blöd da«, sondern sind tot.

Diesmal zitiert die Jungle World genüßlich aus der Berichterstattung im ND: »Friedbert Boxberger von der Palästina-Nahost-Initiative Heidelberg ist unsicher, ob er hier noch richtig sei. ›Mir hat niemand während der Vorbereitungstreffen und Gespräche gesagt, daß auch noch 200 arabische Teilnehmer mit von der Partie sind. Das ist doch bestimmt nicht spontan in letzter Sekunde organisiert worden. Ich kann mir nicht vorstellen, daß unter dieser Gruppe nur Lämmer sind…‹« Und schon kriegt der so zitierte sein Fett weg: »Araber aus Arabien möchte man doch offensichtlich lieber nicht mit dabei haben, denn irgendwie sind die suspekt und verlassen kann man sich auf sie auch nicht. Und ficken sollte man auch nicht mit ihnen.«

Nur leider haben die Teilnehmer für die Berichterstattung des ND-Korrespondenten, der sie doch so treu begleitet, nichts übrig. »Die einigen Mitgliedern zugeordneten Aussagen sind weder authentisch noch autorisiert«, teilten sie dem ND in Form eines Leserbriefs mit. Für den hatte das Blatt bislang jedoch weder in der gedruckten noch in der Onlineausgabe Platz. Statt dessen darf sich ein »Paulaner«, der dem Schreibstil zufolge einiges desselben intus hatte, in vermutlich ironisch gemeinter Weise ausbreiten: »Daß gewaltbereite Araber unter den Teilnehmern sein sollen, ist bestimmt eine Lüge des Mossad, so etwas gibt es doch gar nicht. Klingt auch irgendwie rassistisch, ›gewaltbereite Araber‹. Den griechischen Hafen freibomben, noch dazu von der NATO, wäre zu prüfen. Die Griechen sind sicher aufgeschlossen, andere Sorgen haben die nämlich nicht. Ich sehe, die Mission zur Befreiung der Palästinenser ist in guten Händen, ich wünsche immer eine Handbreit Wasser unterm Kiel!« Das ND selbst legt am Freitag auf der Titelseite nach: »Die palästinensischen Chef-Organisatoren der Flotte tun es der israelischen Armee gleich«, beklagt sich der Korrespondent über eine »unhöfliche und rüde Befragung« durch die Koordinatoren.

Die seriöse Fassung solchen Geschreibsels übernehmen die Frankfurter Rundschau und – nahezu wortgleich, wir haben schließlich Pressevielfalt – die Berliner Zeitung. Ein Harry Nutt greift sich darin Prof. Udo Steinbach, den langjährigen Leiter des Deutschen Orient-Instituts in Hamburg und »Schirmherr« der diesjährigen Gaza-Flottille. »Für Reinhold Robbe von der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIOG) ist Steinbach indes ein getarnter Hamas-Verharmloser. Nach Indizien zur Bekräftigung der These muß man nicht lange suchen, « behauptet Nutt und zitiert die völkerrechtlich vollkommen korrekte Aussage Steinbachs, die Hamas sei eine »kämpfende Truppe, die sich zur Wehr setzt«. Das muß einem die Hamas politisch-ideologisch nicht sympathisch machen, aber soweit geht die Dialektik des einstigen taz- und nunmehrigen FR-Feuilletonisten nicht. Für ihn ist schon suspekt, daß Steinbach seine Homepage, die sich mit Zeitgeschichte und Politik der islamischen Welt beschäftigt, doch tatsächlich mit einer »Silhouette mit Minaretten in Islamisch-Grün« gestaltet hat. Und dann bezeichnet sich Steinbach auch noch als konfessionell nicht gebunden. Sehr verdächtig!

Diese Art von Berichterstattung ist eine Spezialität der deutschen Presse, ermöglicht auch durch den den Eiertanz der Linkspartei und ihrer Bundestagsfraktion. Anderswo sieht das anders aus. Von Spanien aus beteiligen sich mehrere linke Abgeordnete an der Flottille, unter ihnen die 28jährige Marina Albiol, die für die valencianischen Kommunisten im Regionalparlament sitzt, und ihr Kollege aus dem Europaparlament, Willy Meyer. In Frankreich unterstützen so ziemlich alle linken Parteien die Fahrt nach Gaza und verabschiedeten die Teilnehmer mit einer beeindruckenden Kundgebung in Marseille. Aus Irland fahren Abgeordnete der Sinn Fein und der Sozialistischen Partei ebenso mit wie Gewerkschaftsfunktionäre. Dasselbe gilt für Dänemark und andere Länder. Und sogar der Vorstand der Europäischen Linkspartei, deren Mitglied die deutsche Linke ist, erklärte ihre »volle Solidarität« mit der Flottille. Aber das sind natürlich alles antisemitische Islamisten.

Erschienen am 2. Juli 2011 in der Wochenendbeilage der Tageszeitung junge Welt