Der »Europäer«: Rafael Correa

Lateinamerika bleibt anders, und daran hat der am Sonntag eindrucksvoll wiedergewählte Rafael Correa besonderen Anteil. Er ist vielleicht der »europäischste« Präsident Lateinamerikas, und das nicht nur, weil er auf dem alten Kontinent Wirtschaftswissenschaften studieren konnte. Auch seine in Belgien geborene Frau Anne Malherbe, die er an der Katholischen Universität im wallonischen Louvain-la-Neuve kennenlernte, hat daran Anteil. Seitdem ihr Gatte 2007 zum Präsidenten Ecuadors gewählt wurde, verweigert sie sich der Rolle als »First Lady«. »Die mit dem Präsidenten verheiratete Person sollte nicht das Recht haben, Staatsfunktionen zu übernehmen, da sie nicht durch das Votum des Volkes gewählt wurde«, hieß es deshalb in einer in den ersten Monaten von Correas Amtszeit offenbar auf ihre Initiative hin veröffentlichten Regierungserklärung.

 

Die europäischen Erfahrungen des Präsidenten zeigten sich in den vergangenen Jahren auch in seinem besonderen Interesse für die Entwicklungen des krisengeschüttelten Kontinents. Correa gehört zu den schärfsten Kritikern der europäischen Einwanderungs- und Asylpolitik und hat die hierzulande von Menschenrechtsgruppen benutzte Losung »Kein Mensch ist illegal« in den ecuadorianischen Regierungsdiskurs eingeführt. Die Entscheidung, Wikileaks-Gründer Julian Assange Asyl zu gewähren, war und ist ebenso eine Herausforderung Europas wie die Klage gegen die Zwangsräumungen in Spanien vor dem Gerichtshof für Menschenrechte.

Correa ist auch der Hauptverantwortliche für das wirtschaftspolitische Profil des antiimperialistischen Staatenbündnisses ALBA (Bolivarische Allianz für die Völker Unseres Amerikas). Es war auffällig, daß Ecuador der 2004 von Venezuela und Kuba gegründeten Allianz erst beitrat, nachdem die Mitgliedsstaaten 2009 festere Strukturen und die Einführung einer gemeinsamen Rechnungswährung vereinbart hatten. Diese trägt den Namen SUCRE, was nicht nur eine Abkürzung und der Name des Unabhängigkeitskämpfers Antonio José de Sucre (1795–1830) ist, sondern auch die ecuadorianischen Währung war, die im September 2000 zugunsten des US-Dollar abgeschafft wurde. Das langfristige Ziel dieser lateinamerikanischen Finanzunion ist so abgesteckt: eine größere Unabhängigkeit von Dollar, Euro und anderen Leitwährungen. Langfristig träumen manche auch schon von einer echten gemeinsamen, stabilen Währung – doch das ist angesichts der tiefen Unterschiede in den Wirtschaftssystemen zwischen den ALBA-Staaten Kuba, Ecuador, Venezuela, Bolivien und Nicaragua – von den kleinen Karibikstaaten ganz zu schweigen – kaum realistisch.

Erschienen am 19. Februar 2013 in der Tageszeitung junge Welt