Demokratielehrer des Tages: Sigmar Gabriel

Sigmar Gabriel träumt mal wieder. Seit der Nochvorsitzende der SPD nicht mehr Angst haben muss, aufgrund eines Betriebsunfalls bei der Bundestagswahl im Herbst doch noch Bundeskanzler zu werden, tourt er als Außenminister durch die Gegend. Am Freitag machte er Station in Kiew und hielt den Abgeordneten der Obersten Rada einen Vortrag über westliche Werte.

»Die härteste Waffe der Demokratie ist nicht das Militär, sondern zu zeigen, dass man in der Demokratie besser lebt als in Ländern ohne«, sagte der SPD-Politiker. Er schaffte es dabei sogar, ernst zu bleiben, und unterschlug ganz bescheiden, dass er samt seiner Partei über jahrzehntelange Erfahrung beim Durchsetzen von Sozialabbau und Niedriglöhnen im eigenen Land hat. Von »besser leben« merken in der Ukraine auch heute ohnehin nur die Oligarchen was.

Aber natürlich ist die Ukraine eine lupenreine Demokratie, die Faschisten sind gar keine, und im Osten stören sowieso nur die Russen. »Wir wissen, wer der Aggressor ist«, ging der Bundesaußenminister den ukrainischen Abgeordneten um den Bart. »Wir wissen, wer das Völkerrecht gebrochen hat«, setzte er fort, und meinte natürlich nicht die Einmischung der eigenen und anderer westlicher Regierungen in Osteuropa. »Und wir wissen, dass es sich nicht um einen Konflikt nur der Ukraine handelt.« Sondern um einen Stellvertreterkrieg, der dem Kriegsbündnis NATO auch den ersehnten Vorwand für die massive Aufrüstung entlang der russischen Grenze liefert. Aber das sagen ja nur von Moskau gesteuerte und bezahlte Trolle.

Deswegen erinnern wir lieber auch nicht daran, dass Gabriels Parteifreund Frank-Walter Steinmeier, sein Amtsvorgänger als Außenminister, in Kiew direkt mitverantwortlich für den Putsch im Februar 2014 war, der den bis heute anhaltenden Krieg im Osten des Landes verursacht hat.

Erschienen am 4. März 2017 in der Tageszeitung junge Welt