Demokratie verteidigen

Der gestürzte honduranische Präsident Manuel Zelaya hat die Bevölkerung seines Landes aufgefordert, weiterhin gegen seine Absetzung durch das Militär zu protestieren. Seine Unterstützer sollten sich nicht bezwingen lassen und »friedlich in der Hauptstadt Tegucigalpa auf die Straße gehen«. Das sagte Zelaya in der Nacht zu Freitag in El Salvador dem Radiosender Cadena Mi Gente, der auch im benachbarten Honduras viele Zuhörer hat. Der Putsch in Honduras sei nicht rechtens, daher müsse im ganzen Land Widerstand und die Verteidigung »unserer Rechte als Bürger« organisiert werden, fügte der linksgerichtete Zelaya hinzu.

Der rechtmäßige honduranische Staatschef war kurz zuvor aus Panama kommend in El Salvador gelandet und beriet sich mit Präsident Mauricio Funes. Bei einer Pressekonferenz in Panama hatte Zelaya noch einmal angekündigt, daß er im Verlauf dieses Wochenendes in sein Heimatland zurückkehren werde. Er fürchte sich nicht, bei seiner Einreise verhaftet zu werden, wie es die Putschisten angekündigt haben. Sollte seine Regierung jedoch bis Montag nicht wieder im Amt sein, müßten »die Mächte der Welt an Honduras ein Exempel statuieren«, forderte Zelaya.

Bereits am Freitag (nach jW-Redaktionsschluß) wurde der Generalsekretär der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), José Miguel Insulza, in Tegucigalpa erwartet. Die Reise sorgte in Lateinamerika für Mißtrauen – ebenso wie offenbar in Washington geführte Gespräche zwischen Abgesandten des von den Putschisten eingesetzten »Übergangspräsidenten« Roberto Micheletti und Vertretern der OAS. Befürchtet wurde, daß die OAS den Putschisten Straffreiheit und weitere Zugeständnisse anbieten könnte, um so die Rückkehr Zelayas zu erreichen. Dieser betonte jedoch, Insulza habe nicht den Auftrag, in Tegucigalpa Verhandlungen zu führen, sondern überbringe den Putschisten »auf Anordnung der Präsidenten von den USA bis nach Patagonien in Chile« die Mitteilung, »daß ihre Zeit abgelaufen ist, die gesamte Welt den Putsch verurteilt und sie zum Volkswillen zurückkehren müssen, anstatt sich mit Waffengewalt an der Macht zu halten«.

Auch Insulza selbst betonte, daß er nicht zu Verhandlungen nach Honduras reise. »Wir fahren mit der Aufforderung, daß sie aufhören, das zu tun, was sie bis jetzt getan haben, und um einen Weg zu finden, zur Normalität zurückzukehren«, sagte er. Auf der Tagesordnung seiner Reise stehen unter anderem Gespräche mit den Mitgliedern des Obersten Gerichtshofes und des Kongresses, die beide den Staatsstreich am vergangenen Sonntag mitgetragen haben. Mit Micheletti soll es kein Treffen geben, um diesen nicht zu legitimieren. Die OAS hat angekündigt, Honduras vorübergehend aus der Staatengemeinschaft auszuschließen, wenn Zelaya nicht bis Samstag wieder im Amt ist.

Die von den Putschisten kontrollierten Medien hingegen verbreiten eine Reihe von Szenarien als »Ausweg aus der Krise«. So wird der in den Staatsstreich verwickelte Menschenrechtsbeauftragte Ramón Custodio mit dem Vorschlag zitiert, eine Volksabstimmung über eine Wiedereinsetzung Zelayas in sein Amt durchzuführen. Micheletti selbst brachte »vorgezogene Neuwahlen« anstelle einer Rückkehr Zelayas ins Gespräch.

Regulär finden die nächsten Präsidentschaftswahlen in dem zentralamerikanischen Land am 29. November statt. Nach der derzeit gültigen Verfassung kann der amtierende Präsident nicht erneut antreten, was von Zelaya auch nie in Frage gestellt wurde. Während seiner Pressekonferenz in Panama betonte er erneut: »Meine Regierung endet am 27. Januar 2010. Es gibt einen Wahlprozeß, der im Gange ist. Das einzige ›Vergehen‹, das wir begangen haben, war die Forderung, neben der Urne für die Wahl des Präsidenten, einer Urne für die Wahl der Bürgermeister und einer Urne für die Wahl der Abgeordneten eine vierte Urne aufzustellen. So sollte gefragt werden, ob man mit einer Verfassunggebenden Versammlung einverstanden ist. Das ist eine Urne für das Volk, damit sich die einfachen Menschen erklären können.«

Mit Blick auf Spekulationen, die von der rechten Opposition in Honduras auch zur Rechtfertigung ihres Staatsstreiches in Umlauf gebracht wurden, betonte Zelaya erneut: »Ich werde nicht für eine Wiederwahl antreten, denn das ist von der Verfassung verboten, und das habe ich schon unzählige Mal erklärt.« Zugleich warnte er, daß die »internationale Gemeinschaft« keine Wahlen anerkennen werde, die unter der Herrschaft einer durch einen Putsch etablierten Regierung durchgeführt werden.

Die Demonstrationen und Proteste gegen den Staatsstreich gehen unterdessen in Tegucigalpa und anderen Städten des Sieben-Millionen-Einwohner-Staates weiter. In der zweitgrößten Stadt des mittelamerikanischen Landes, San Pedro Sula, nahm die Polizei Agenturberichten zufolge 78 Personen fest. »Wir gehen furchtlos voran, bis der rechtmäßige Präsident zurückkehrt«, betonte der Abgeordnete der Linkspartei UD, Marvin Ponce, bei einer Großdemonstration in der honduranischen Hauptstadt gegenüber Journalisten der kubanischen Agentur Prensa Latina. Der Generalsekretär des Gewerkschaftsbundes FUT, Israel Salinas, erklärte, die Widerstandsbewegung bereite sich darauf vor, Zelaya am Wochenende einen großen Empfang zu bereiten.

Erschienen am 4. Juli 2009 in der Tageszeitung junge Welt