CSU-Blockade brechen

Gegen Lohndumping und die Spaltung der Belegschaften mittels Werkverträgen und Zeitarbeit demonstrierten am Samstag in der bayerischen Landeshauptstadt mehrere tausend Gewerkschafter. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), dessen Bundesvorstand zu der Kundgebung auf dem Odeonsplatz aufgerufen hatte, sprach anschließend großzügig von 3.000 Teilnehmern, die sich bei Nieselregen und kühlen Temperaturen vor der Feldherrnhalle versammelt hatten. Die Vorsitzenden der Einzelgewerkschaften waren ebenfalls nach München gekommen, um DGB-Chef Reiner Hoffmann den Rücken zu stärken.

Auf der Kundgebung kritisierten die Gewerkschaften, dass die Bundesregierung ein schon im Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD vereinbartes Gesetz gegen den Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen bis heute nicht auf den Weg gebracht hat. Ein als Kompromiss zwischen dem DGB und Unternehmerverbänden zustande gekommener Entwurf des Bundesarbeitsministeriums, den selbst Hoffmann als »weichgespült« bezeichnete, liegt im Kabinett auf Eis, weil sich die CSU gegen das Gesetz sperrt. Schon im November hatte etwa der Vorsitzende der CSU-Mittelstandsunion, Hans Michelbach, gegen die Pläne aus dem Ministerium von Andrea Nahles (SPD) gewettert: »Alles ist klar geregelt – für weitere Einschränkungen gibt es keinen Bedarf.«

Auf der Kundgebung befand Hoffmann, die bayerische Landespartei rücke »immer weiter an den Rand« und damit »weg von der Mitte der Gesellschaft, weg von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die in Leiharbeit und Werkvertragsarbeit zu miesen Bedingungen schuften müssen«. Bei einem Werkvertrag verpflichtet sich der Beschäftigte nicht, für eine bestimmte Zeit seine Arbeitskraft an den Unternehmer zu verkaufen, sondern eine Arbeitsleistung zu liefern. Er »entscheidet selbst«, wie lange er dafür braucht. Für die Unternehmen ist das eine gute Gelegenheit zur Lohnsenkung und zur Verschlechterung der Arbeitsbedingungen – so gibt es zum Beispiel keinen Anspruch auf Urlaub und andere tarifvertragliche Leistungen. Der DGB-Chef betonte, dass man nicht die Werkverträge »an sich« bekämpfe, sondern deren Missbrauch. »Immer öfter werden Werkverträge konstruiert, um Tarifverträge zu umgehen – vom guten Metall- oder Chemietarif in niedrigere Tarifbereiche oder einfach ganz raus aus der Tarifbindung. Die Betriebsräte sagen, dass mittlerweile in zwei von drei Betrieben Arbeiten über Werkverträge fremdvergeben werden. Ziel ist nichts anderes, als Kosten zu senken, Arbeitszeiten zu erhöhen und errungene Standards zu unterlaufen.«

Bei der Kundgebung am Samstag hatten der DGB und seine Mitgliedsverbände auf einer Seite des Odeonsplatzes dicht an dicht Informationsstände aufgebaut, gegenüber gab es überteuerte Bratwürste, veganen Döner, Bier und Glühwein. Die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (BCE) verteilte Lebkuchenherzen und Popcorn. Anderswo gab es Regenumhänge und Mützen sowie Unmengen gedrucktes Informationsmaterial. Die Eisenbahngewerkschaft EVG sammelte Unterschriften zur EU-Bürgerinitiative für faire Arbeit. Auch SPD, Die Linke, DKP und andere Organisationen waren mit ihren Fahnen gekommen. Mitglieder von ver.di München solidarisierten sich per Transparent mit ihrem Kollegen Orhan Akman, der von den peruanischen Behörden wegen seiner gewerkschaftlichen Aktivität ausgewiesen worden war (jW berichtete). Am Freitag hatte der bayerische Landesbezirksvorstand der Dienstleistungsgewerkschaft Peru aufgefordert, Akman, der seit 2014 dort lebte, die Rückkehr zu gestatten und seine Arbeit nicht mehr zu behindern.

Während der DGB öffentlich eine positive Bilanz der Kundgebung zog, zeigten sich Gewerkschaftsfunktionäre hinter vorgehaltener Hand unzufrieden. Das Ganze sei eine Werbeaktion für die SPD gewesen, die vom Arbeitsministerium »in Auftrag gegeben« worden sei. Im Gespräch mit junge Welt zeigte sich ein DGB-Sekretär, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen wollte, unzufrieden mit der gesamten Vorbereitung und Mobilisierung, die sehr kurzfristig und mitten in den Osterferien gelaufen sei. Er kritisierte auch die Ausrichtung der Aktion: »Es gibt doch im Bundestag eine Mehrheit für das Gesetz, wir könnten also auch Druck auf die SPD ausüben, den Entwurf dann eben ohne die Zustimmung der CSU einzubringen – aber das ist nicht gewollt«, empörte er sich über die kaum verhüllte Unterstützung der schwächelnden Sozialdemokraten durch die DGB-Spitze. Die deutete auch Hoffmann in seiner Rede an, als er statt weiterer Aktionen nur ankündigte, das Thema in den nächsten Wahlkampf zu tragen.

Erschienen am 11. April 2016 in der Tageszeitung junge Welt