Chávez’ Warnung

Venezuelas Präsident Hugo Chávez hat am Wochenende vor einem drohenden Krieg mit Kolumbien gewarnt und dazu aufgerufen, einen solchen mit aller Macht zu verhindern. Er sei überzeugt davon, daß »das Imperium« einen Krieg zwischen den beiden Nachbarstaaten provozieren wolle. Dieser könnte als Vorwand für eine Intervention dienen, um »uns ihren Frieden aufzuzwingen« und – vor allem – um die Kontrolle über Venezuelas Öl- und Gasreserven zu übernehmen.

Chávez erinnerte daran, daß Kolumbien im vergangenen Jahr bereits die Grenzen von Ecuador verletzt habe: »Wenn sie uns angreifen, würde das Krieg bedeuten«. Venezuela öffne seine Arme allen Nationen für ein friedliches Zusammenleben, man müsse aber vor dieser Gefahr warnen. »Wir müssen einen Krieg zwischen Kolumbien und Venezuela verhindern, wir müssen unsere Völker vor einer Tragödie bewahren, die größer wäre als alles, was wir bisher erlebt haben«, unterstrich der venezolanische Präsident.

Zugleich betonte er, Venezuela werde nicht auf Provokationen hereinfallen, und kündigte an, daß Venezuelas Botschafter in Kolumbien, Gustavo Márquez, nach Bogotá zurückkehren werde. Chávez hatte den Diplomaten zu Konsultationen nach Caracas zurückgerufen, nachdem die Regierung in Bogotá die Einrichtung von bis zu sieben US-Militärstützpunkten auf kolumbianischem Territorium angekündigt sowie praktisch zeitgleich Vorwürfe erhoben hatte, daß die venezolanische Regierung Waffen an die FARC-Guerilla verkauft habe.

Chávez hatte die von Bogotá erhobenen Vorwürfe zurückgewiesen, wonach drei in einem Lager der Guerilla gefundenen Panzerabwehrwaffen aus einer in den 80er Jahren von Schweden an Venezuela verkauften Lieferung stammten. Bei einer Pressekonferenz im Präsidentenpalast Miraflores in Caracas präsentierte Chávez Fotos der angeblich beschlagnahmten Waffen, die Kolumbiens Außenminister Jaime Bermúdez seinem venezolanischen Amtskollegen Nicolás Maduro übergeben hatte. Chávez zeigte den versammelten Journalisten eine unbenutzte Waffe und verglich ihren Zustand mit den auf den Fotos erkennbaren Details. So konnte er nachweisen, daß die von Kolumbien präsentierten Waffen bereits benutzt wurden, obwohl Bogotá das Gegenteil erklärt hatte. Da die von Kolumbien präsentierten Raketenwerfer nur einmal eingesetzt werden könnten, seien sie somit wertloser Schrott.

Am Samstag empfing Chávez in Caracas Vertreter des kolumbianischen Linksbündnisses »Alternativer Demokratischer Pol« (PDA), um mit ihnen über die Krise der Beziehungen zwischen beiden Staaten zu sprechen. Der PDA-Vorsitzende und Senatsabgeordnete Jaime Dussán kritisierte die am selben Tag vom Innenministerium in Bogotá veröffentlichte Warnung, wonach die Außenpolitik Kolumbiens alleinige Aufgabe des Präsidenten und des Außenministers sei. »Der Minister kann sowas den Uribe-treuen Ministern und Gouverneuren sagen, aber der Demokratische Pol ist die wichtigste Oppositionspartei, und wir haben uns entschlossen, mit Präsident Chávez in einen Dialog zu treten, um freundschaftliche Beziehungen mit der Regierung und dem Brudervolk Venezuelas zu befördern«, sagte der Parlamentarier.

Chávez meinte, er wolle sich mit den verschiedenen Schichten der kolumbianischen Gesellschaft austauschen, denn es sei an die Zeit, die Beziehungen mit Kolumbien zu »enturibisieren«. Bislang hatten sich Uribe und Chávez persönlich gut verstanden und auf diese Weise manche Krise entschärft. Nun aber erklärte Chávez: »Was Uribe getan hat, ist nicht wenig. Er hat die geschlossenen Bündnisabkommen verraten, und das ist ein Verrat an allem, was wir besprochen haben, und an allen erreichten Abkommen. Das ist ein Verrat an der Hoffnung auf eine Einheit Süd­amerikas.« Deshalb blieben auch die offiziellen Beziehungen zu Kolumbien trotz der Rückkehr des Botschafters »eingefroren«.

Mit Blick auf das am heutigen Montag in Quito beginnende Gipfeltreffen der Union Südamerikanischer Nationen (Unasur) rief Chávez Uribe auf, die Absage seiner Teilnahme zu überdenken: »Ich bitte Uribe noch einmal, daß er zum Gipfel kommt und sein Gesicht zeigt, damit wir uns hinsetzen und über die US-Basen in Kolumbien sprechen können«. Es sei wichtig, daß Kolumbiens Regierung weiß, daß sich Venezuela von der US-Präsenz im Nachbarland bedroht fühlt.

Erschienen am 10. August 2009 in der Tageszeitung junge Welt