Chaos in Caracas

Ein mehrstündiger Stromausfall hat am Dienstag weite Teile Venezuelas lahmgelegt. Vor allem im Zentrum und im Westen des Landes war gegen 12.30 Uhr mittags (Ortszeit) die Energieversorgung in 14 der 24 Bundesstaaten zusammengebrochen. In der Hauptstadt Caracas kollabierte der Autoverkehr, als die Ampeln ausfielen. Da auch die Metro den Betrieb einstellte, mußten sich Tausende zu Fuß auf den Weg nach Hause machen. Viele Geschäfte schlossen vorzeitig, auch aus Angst vor Überfällen. Innenminister Miguel Rodríguez erklärte jedoch, man habe keine derartigen Zwischenfälle verzeichnen müssen. Die Wasserversorgung wurde aufgrund des Stromausfalls ebenfalls für Stunden unterbrochen. Demgegenüber konnten die Erdölförderanlagen offenbar ihren Betrieb fortsetzen. Auch in den Krankenhäusern kam es nach Angaben von Gesundheitsministerin Isabel Iturria durch die überall vorhandenen Notstromaggregate zu keinen Problemen.

 

Am späten Abend erklärte Venezuelas Minister für elektrische Energie, Jesse Chacón, die Ursache der Störung in zwei Hochspannungsleitungen sei gefunden worden. In Folge der Havarie der aus dem Wasserkraftwerk Guri im Bundesstaat Bolívar kommenden Stromtrassen seien zunächst die im Bundesstaat Carabobo gelegenen Elektrizitätswerke Planta Central und Termo Carabobo ausgefallen, was dann einen »Dominoeffekt« ausgelöst habe.

Der venezolanische Präsident Nicolás Maduro machte umgehend die Opposition für den Stromausfall verantwortlich. »Alles deutet darauf hin, daß die extreme Rechte ihren Plan eines Elektroputsches gegen das Land wieder aufgenommen hat«, schrieb der Staatschef im Internetdienst Twitter. »Ich rufe die Arbeiter und das Volk zu einer neuen Etappe des Kampfes auf, um das Energiesystem gegen Sabotage zu impfen.« Es sei an drei verschiedenen Stellen Sabotage betrieben worden, um dadurch maximalen Schaden anzurichten. 70 Prozent der Bevölkerung seien durch den Anschlag betroffen gewesen, so der Staatschef.

Venezuela kämpft seit mehreren Jahren gegen Probleme in der Energieversorgung. Schon 2010 hatte der damalige Präsident Hugo Chávez den »Notstand« für den Bereich der Energieversorgung ausgerufen und ein eigenes Ministerium für den Sektor eingerichtet, nachdem eine Dürreperiode die Stauseen der Wasserkraftwerke ausgetrocknet hatte. Ein nachhaltiger Erfolg blieb der Kampagne allerdings versagt, im vergangenen Frühjahr mußte Maduro erneut besondere Maßnahmen einleiten. Auffällig kurz vor der Präsidentschaftswahl am 14. April hatten die meist kurzzeitigen Stromausfälle wieder rapide zugenommen. In den vergangenen Wochen schien sich die Lage aber entspannt zu haben. Es sei gelungen, die Zahl der Abschaltungen um 75 Prozent zu senken, hatte noch am Dienstag vormittag der für »rationellen Stromverbrauch« zuständige Vizeminister Héctor Constant im staatlichen Fernsehen VTV verkündet. Gut zwei Stunden später kam es zu dem Blackout.

Die Opposition bestreitet naturgemäß die Existenz einer Sabotageaktion. Statt dessen machte der frühere Präsidentschaftskandidat Henrique Capriles Radonski fehlende Investitionen in die Infrastruktur für die Probleme bei der Stromversorgung verantwortlich. Öffentlichkeitswirksam stellte der Gouverneur des Bundesstaates Miranda ein Foto ins Internet, das ihn im Licht des Displays eines Mobiltelefons beim Studium von Papieren zeigt. Der Stromausfall belege die »schreckliche Unfähigkeit dieser Regierung«, die sicherlich mit einem »neuen Märchen« kommen werde, um von ihrem Versagen abzulenken.

Erschienen am 5. September 2013 in der Tageszeitung junge Welt