Bye-bye, OAS

An diesem Sonnabend endet offiziell die Mitgliedschaft Venezuelas in der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) – und das soll gefeiert werden. Die regierende Vereinte Sozialistische Partei (PSUV) hat ihre Anhänger zu einer Großdemonstration und einem Straßenfest in der Hauptstadt Caracas aufgerufen. Das Personal des südamerikanischen Landes bei der Organisation kehrt in der kommenden Woche in die Heimat zurück, wie Außenminister Jorge Arreaza am Donnerstag (Ortszeit) auf einer Pressekonferenz in New York ankündigte.

Venezuelas damalige Botschafterin Carmen Luisa Velásquez hatte am 27. April 2017 OAS-Generalsekretär Luis Almagro offiziell das Schreiben überreicht, in dem das Land mit der vorgesehenen Frist von zwei Jahren den Austritt aus der Organisation erklärt. In dem sechsseitigen Brief kritisierte Staatschef Nicolás Maduro, dass die OAS zu einem »infamen Instrument im Dienste der imperialen Hegemonialinteressen« geworden sei. »Das freie und unabhängige Venezuela wird niemals in den Schoß dieser Organisation zurückkehren«, kündigte Maduro an.

Almagro will den Verlust Venezuelas nicht anerkennen. Schon Ende Januar hatte ihn die spanische Nachrichtenagentur Efe mit den Worten zitiert, der Countdown zum Austritt Venezuelas sei »gestoppt« worden. Almagro hatte das Kunststück fertiggebracht, dem Oppositionspolitiker Juan Guaidó bereits am 11. Januar zur Übernahme des höchsten Staatsamtes Venezuelas zu gratulieren – obwohl sich dieser erst am 23. Januar zum »Übergangspräsidenten« erklärte. Mit dieser »legitimen Regierung« – so Almagro – werde sich »die Präsenz Venezuelas hier in der Organisation komplett verändern«, das gelte auch für die »Kontinuität« der Mitgliedschaft des Landes. Am Mittwoch legte Almagro nach und verlangte bei einer Rede an der New York University eine weitere Verschärfung der Wirtschaftssanktionen gegen die Regierung in Caracas und eine »humanitäre Intervention« in Venezuela. Es sei »skandalös«, dass man »Narkodiktatoren« erlaube, weiter an der Macht zu bleiben, so Almagro.

Doch in seiner eigenen Organisation stößt der Generalsekretär auf starken Widerstand gegen seinen Kurs. Erst am 9. April hatte er erreichen können, dass eine Mehrheit von 18 Mitgliedsstaaten den schon am 22. Januar von der venezolanischen Opposition benannten Juristen Gustavo Tarre Briceño als »von der Nationalversammlung ernannten permanenten Repräsentanten« zu akzeptieren. Dagegen votierten neun Länder, unter anderem Bolivien, Mexiko, Surinam, Uruguay und Venezuela selbst, sechs enthielten sich, und ein Land – Belize – glänzte durch Abwesenheit.

Einen Schönheitsfehler hat die Entscheidung allerdings: Bis heute hat die OAS Guaidó mangels entsprechender Mehrheit nicht als Präsidenten Venezuelas anerkannt. Ein Botschafter bei der OAS kann aber nur durch den amtierenden Staatschef eines Landes ernannt werden – und das ist zumindest formell auch für die OAS nach wie vor Maduro. Wohl deshalb ist in der am 9. April verabschiedeten Resolution nur vom »Repräsentanten« Tarre die Rede. Auf der Homepage der OAS wird dieser allerdings durchgängig als »der neue Botschafter Venezuelas« tituliert.

Das will eine starke Gruppe von Mitgliedsorganisationen nicht hinnehmen. Mit einer gemeinsamen Erklärung haben Antigua und Barbuda, Barbados, Belize, Dominica, Sankt Kitts und Nevis, Sankt Vincent und die Grenadinen, Surinam sowie Trinidad und Tobago deutlich gemacht, dass sie die Ernennung Tarres nicht akzeptieren, weil er nicht von der verfassungsmäßigen Regierung Venezuelas ernannt wurde. Auch Mexiko teilte in einer offiziellen Note mit, dass die Anerkennung die Regeln der OAS verletze. Uruguays Botschafter Hugo Cayruz kritisierte den Bruch der Normen der OAS-Charta, während Nicaraguas Vertreter die Verletzung der Souveränität eines Mitgliedsstaates verurteilte.

Erschienen am 27. April 2019 in der Tageszeitung junge Welt