Bundesregierung rudert zurück

Fast zwei Monate nach ihrer Anerkennung Juan Guaidós als »Übergangspräsident« Venezuelas rudert die Bundesregierung vorsichtig zurück. Man werde den von Guaidó als seinen Vertreter nach Deutschland geschickten Otto Gebauer nicht als Botschafter akkreditieren, teilte das Auswärtige Amt auf eine Anfrage der Linkspartei mit. Man habe Gebauer am 13. März zu politischen Gesprächen empfangen. »Weitere Schritte sind nicht geplant«, heißt es in der Antwort, aus der die Neue Osnabrücker Zeitung (NOZ) am Mittwoch zitierte.

Wie das Blatt unter Berufung auf namentlich nicht genannte Diplomaten weiter berichtete, haben sich vor allem auf Druck Spaniens die EU-Staaten entschieden, dem Abgesandten Guaidós in der Union keinen Diplomatenstatus und keinerlei Vorrechte zu gewähren. Auch die Anerkennung Guaidós sei nur politischer Natur und mit keinerlei Rechtswirkung verbunden. Man könne nicht einfach ausblenden, dass die tatsächliche Macht in Venezuela nach wie vor bei Nicolás Maduro liege. Weitgehend einig sind sich die Mitgliedsstaaten demnach auch, die von der gewählten Regierung ernannten Diplomaten Venezuelas nicht auszuweisen.

»Die Bundesregierung hat sich mit der Anerkennung von Herrn Guaidó als Interimspräsidenten von vornherein ins völkerrechtliche Abseits manövriert«, sagte dazu die Bundestagsabgeordnete Heike Hänsel (Linke). Sie erinnerte in der NOZ daran, dass Gebauer 2002 am Putschversuch gegen den damaligen Präsidenten Hugo Chávez beteiligt war. Der damalige Hauptmann gehörte einem Kommando an, das den gefangengenommenen Staatschef am 11. April 2002 auf die Insel La Orchila entführte. Der damalige Staatsstreich scheiterte innerhalb von 48 Stunden, nachdem Hunderttausende Menschen gegen die Putschisten auf die Straße gegangen waren und sich die Mehrheit der Streitkräfte auf die Seite der verfassungsmäßigen Regierung gestellt hatte.

Auch aktuell verweigert die Armee den Putschisten die Gefolgschaft. Wiederholt hat das Oberkommando der Bolivarischen Streitkräfte seine Treue zur gewählten Regierung von Präsident Maduro bekräftigt, und bislang sind auch nur wenige hundert Soldaten und Offiziere zur Gegenseite übergelaufen – bei Hunderttausenden Uniformierten ein verschwindender Anteil. Am Montag erklärte Admiral Remigio Ceballos als Chef des Strategischen Oberkommandos der Streitkräfte, dass man Venezuela »unter allen Umständen verteidigen« werde. Er zitierte Chávez mit dessen Aussage, dass das Land niemals wieder eine Kolonie des Imperialismus sein werde.

Venezuelas Innenminister Néstor Reverol beriet am Dienstag (Ortszeit) mit Kommandeuren von Armee und Polizei über Notfallpläne zur Verteidigung der Stromversorgung des Landes gegen weitere Anschläge. Seit Montag leiden weite Teile des Landes wieder unter Stromausfällen, nur gelegentlich kommt für wenige Stunden die Energieversorgung zurück. Ausgelöst wurde die neue Krise durch einen Brand im Kraftwerk Guri, für den die Regierung erneut von den USA unterstützte Terroristen verantwortlich macht. »Wir werden diesen Stromkrieg mit der Kraft besiegen, die wir als Volk in unserem Kampf gegen rohe Imperien und ihre lokalen Lakaien gesammelt haben«, bekräftigte die Regierung am Dienstag in einer offiziellen Erklärung. Auch für den gestrigen Mittwoch wurden alle öffentlichen Aktivitäten abgesagt, Schulen und Hochschulen blieben geschlossen. Vizepräsidentin Delcy Rodríguez veröffentlichte in der Nacht zum Mittwoch auf Twitter Fotos von den Reparaturarbeiten im Kraftwerk. Die Generalstaatsanwaltschaft leitete ein Ermittlungsverfahren ein, um den erneuten Anschlag aufzuklären.

Bereits am 7. März war es nach einem mutmaßlichen Sabotageakt auf das Kraftwerk landesweit zu einem mehrtägigen Stromausfall gekommen. Nach Darstellung der Regierung in Caracas sollen neben einem Hackerangriff auf die Steuerungseinrichtungen »elektromagnetische Impulse« (EMP) für den Ausfall verantwortlich gewesen sein. In bürgerlichen Medien wurde diese Version schnell ins Lächerliche gezogen – am Dienstag erließ US-Präsident Donald Trump allerdings ein Dekret, mit dem die Verteidigungsfähigkeit der Vereinigten Staaten gegen EMP-Waffen verbessert werden soll. Reiner Zufall?

Erschienen am 28. März 2019 in der Tageszeitung junge Welt