Bruderbund in Brasilia

Bei einem außerordentlichen Gipfeltreffen in Brasilia wird Venezuela am heutigen Dienstag offiziell in den Gemeinsamen Markt des Südens (MERCOSUR) aufgenommen. Ursprünglich war der Beitritt des Landes bereits 2006 unterzeichnet worden, allerdings blockierte zuletzt noch die rechte Parlamentsmehrheit in Paraguay die Ratifizierung des Aufnahmeprotokolls. Dieses Hindernis entfiel erst im Juni, als die Mitgliedschaft Paraguays im MERCOSUR nach dem Sturz des demokratisch gewählten Präsidenten Fernando Lugo suspendiert wurde. Bei einem Gipfeltreffen am 29. Juni im argentinischen Mendoza vereinbarten die verbliebenen Mitgliedsstaaten Argentinien, Brasilien und Uruguay nicht nur den Ausschluß von Asunción, sondern auch den formellen Vollzug des venezolanischen Beitritts.

Es ist die erste Aufnahme eines neuen Vollmitglieds in den südamerikanischen Wirtschaftsblock seit dessen Gründung 1991. Mit dem Beitritt Venezuelas repräsentiert die Organisa­tion nahezu drei Viertel des gesamten Bruttoinlandsprodukts Südamerikas und mehr als 250 Millionen Einwohner. Zudem gewinnt der MERCOSUR mit seinem neuen Mitglied einen besonders energiereichen Partner, was für die anderen Mitgliedsländer angesichts der Weltwirtschaftskrise von spezieller Bedeutung sein dürfte. Dem Block gehören neben den Vollmitgliedern als assoziierte Staaten Chile, Ecuador, Kolumbien, Peru und Boli­vien an. Mexiko und Neuseeland gelten als Beobachter. Im Juni machte Chinas Ministerpräsident Wen Jiabao bei einem Besuch in Buenos Aires zudem den Vorschlag einer Freihandelszone zwischen der Volksrepublik und dem MERCOSUR.

Bevor Gastgeberin Dilma Rousseff, ihre argentinische Amtskollegin Cristina Fernández, Uruguays Präsident José Mujica und der venezolanische Staatschef Hugo Chávez heute den Beitritt offiziell vollziehen, diskutierten Fachleute am Vortag den Zeitplan für die Integration Venezuelas in die Freihandelsbestimmungen des Marktes. So verfügen die bisherigen Mitglieder über gemeinsame Außenhandelszölle gegenüber Dritten, an die sich Venezuela in einem bestimmten Zeitraum anpassen muß. Zugleich darf das Land jedoch eine Liste von Produkten aufstellen, für die es eigene Außenzölle und Abgaben festlegt. Im Fall von Brasilien und Argentinien umfassen diese Listen rund 200 Produkte.

Erschienen am 31. Juli 2012 in der Tageszeitung junge Welt