Bruch mit der Ordnung

Vertreter von fast 70 kommunistische Parteien kommen an diesem Wochenende im brasilianischen São Paulo zu ihrem zehnten internationalen Treffen zusammen. Zu den teilnehmenden Organisationen gehören die Regierungsparteien aus Kuba, China, Nordkorea, Vietnam und Laos, aber auch große und traditionsreiche Oppositionsparteien wie die aus Südafrika, Kolumbien, Spanien, Portugal, Griechenland, Frankreich, Chile und Argentinien. Besonders gespannt sind die Teilnehmer auf Aussagen der KP der USA zu Aussichten unter der neuen Regierung von Barack Obama.

Auswege der Krise

»Die Krise mit ihren sehr schweren Auswirkungen für die Arbeiter und die Armen der Welt stellt eine ganze Anklageschrift gegen den Kapitalismus dar und schafft ein besonderes Klima, um das kapitalistische System zu verurteilen und eine Alternative zu präsentieren«, hebt José Reinaldo Carvalho von der gastgebenden KP Brasiliens (PcdoB) hervor.

Das sieht auch der Vorsitzende der Deutschen Kommunistischen Partei, Heinz Stehr, so, der die DKP in São Paulo vertritt. Gegenüber junge Welt äußert er die Erwartung, daß die Analyse der gegenwärtigen Finanz-, Hunger-, Umwelt- und Überproduktionskrise mit einer effektiveren politischen Zusammenarbeit der vertretenen Organisationen verbunden wird. Seine Partei wolle in Brasilien die Bildung eines Netzwerks der Kommunistischen Parteien mit einem gewählten und rotierenden Arbeitsgremium vorschlagen, in dem dann konkrete Überlegungen über gemeinsame Aktivitäten und das gemeinsame Selbstverständnis der unter sehr unterschiedlichen Bedingungen arbeitenden Parteien sowie gemeinsame politische Strukturen entwickelt werden könnten. Vorschlagen will Stehr in São Paulo eine Solidaritäswoche mit Kuba, in der die Parteien überall zur gleichen Zeit Aktionen für die Befreiung der fünf in den USA inhaftierten kubanischen Aufklärer durchführen.

Verstaatlichung gefordert

Auch die venezolanischen Kommunisten fordern eine engere internationale Zusammenarbeit. Der Generalsekretär die KP Venezuelas (PCV), Oscar Figuera, spricht sich für eine »höhere Ebene des Handelns und der Koordination der internationalen kommunistischen Bewegung« aus und erinnerte konkret an die 1943 aufgelöste Kommunistische Internationale. Die Tiefe der Krise des kapitalistischen Herrschaftsmodells in seiner imperialistischen Phase erfordere den entschlossenen Bruch mit dieser Ordnung. Um weiter auf dem Weg zum Sozialismus voranschreiten zu können, habe seine Partei in Venezuela die Forderung nach einer Nationalisierung der Banken erhoben, die von Präsident Hugo Chávez derzeit abgelehnt wird.

Sicherlich auch vor dem Hintergrund der Krise in der spanischen Vereinten Linken (IU) fordert der Generalsekretär der KP Spaniens (PCE), Francisco Frutos, eine aktivere Rolle der Kommunisten. »Dies ist der Moment, in dem die Linke Mut fassen und sich zusammenschließen muß«, stimmt ihm der Chef der argentinischen KP, Patricio Echegaray, zu.

Die Initiative zu den regelmäßigen Zusammenkünften der kommunistischen und Arbeiterparteien war Ende der 90er Jahre von der griechischen KKE ausgegangen. Die ersten sieben Treffen fanden jeweils in Athen statt. Seit 2006 wechselt der Tagungsort nun jährlich, nach Lissabon 2006 und Minsk 2007 kommen die Parteien nun erstmals außerhalb Europas zusammen.

Erschienen am 22. November 2008 in der Tageszeitung junge Welt