Breite Volksfront in Augsburg

Ein CSU-Bürgermeister ruft zur Teilnahme an einer Demonstration der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend (SDAJ) auf. In Augsburg hat der am Samstag von einem breiten Bündnis organisierte »Aktionstag Vielfalt in der Friedensstadt« zu neuen politischen Konstellationen geführt. Die von Oberbürgermeister Kurt Gribl (CSU) geführte Stadtregierung unterstützte gemeinsam mit Gewerkschaften, Parteien und der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN-BdA) eine Reihe von Veranstaltungen. Anläßlich des Jahrestags der Zerstörung Augsburgs durch Bombenangriffe im Zweiten Weltkrieg am 25. Februar 1944 sollte damit ein Zeichen gegen Rechts gesetzt werden. In der Vergangenheit hatten Neonazis wiederholt versucht, dieses Datum für ihre Propaganda zu vereinnahmen. Das hatte regelmäßig zu antifaschistischen Protesten geführt. In diesem Jahr blieb eine rechte Provokation aber aus.

Am Vormittag versammelten sich Jugendliche am Bahnhof von Augsburg-Oberhausen zu der von der SDAJ angemeldeten Demonstration »The Kids Hate Fascism«. Rote Fahnen der Jugendorganisation, der Linkspartei und der DKP flatterten hier neben Flaggen und Transparenten autonomer Antifagruppen im Wind. Die Stimmung war entspannt, nur die mit vier Mannschaftswagen angerückte Polizei traute dem Frieden nicht. Aus einem Fahrzeug filmten Zivilfahnder die Teilnehmer, wie Beamte aufgrund einer Beschwerde der Demonstrationsleitung einräumten.

Die rund 240 Teilnehmer zogen ohne Zwischenfälle durch die Straßen der Stadt. Bei einer Zwischenkundgebung an der Gedenktafel für die Augsburger Widerstandskämpferin und Ehrenbürgerin Anna Pröll (1916–2006) kritisierte ein Redner, daß die Behörden zwar regelmäßig revanchistische Veranstaltungen ermöglichten und finanzierten, so das jährliche Treffen der Sudetendeutschen Landsmannschaft. Gedenkstätten für Antifaschisten würden dagegen nicht unterstützt, manche seien in ihrer Existenz bedroht. Derweil ließ die Polizei Fans des Berliner Fußballbundesligisten Hertha BSC am Hauptbahnhof unbehelligt, die dem vorbeiziehenden Demonstrationszug den Hitlergruß zeigten.

Am Prinzregentenplatz im Zentrum der Stadt stand während der Nazidiktatur das Hauptquartier der Gestapo. Dort vereinigte sich die Demonstration der SDAJ mit der gleich großen »Straße der Erinnerung«, einem von der VVN-BdA und dem DGB organisierten Zug zu den Stätten der Verfolgung und des Widerstandes. Der örtliche VVN-Sprecher Harald Munding beklagte Nazifresken an mehreren städtischen Gebäuden, darunter Reichsadler, aus denen nur notdürftig das Hakenkreuz herausgemeißelt sei. Eine kritische Auseinandersetzung mit der Nazikunst – etwa durch Gedenktafeln – lehnten die Behörden bislang ab.

Der vereinte Demozug führte dann am städtischen Theater vorbei bis zum Rathausplatz, wo Bürgermeister Gribl vor mittlerweile rund 1000 Menschen den Veranstaltern dankte. Daß die einige von diesen vom Verfassungsschutz bespitzelt werden, erwähnte er freilich nicht.

Erschienen am 27. Februar 2012 in der Tageszeitung junge Welt