Bogotá will keinen Friedensplan

Im Grenzgebiet zu Kolumbien ist es der venezolanischen Kriminalpolizei gelungen, die Kommandeurin einer paramilitärischen Gruppierung und mehrere ihrer Gefolgsleute zu verhaften. Wie der zuständige Kommissar Jhonny Marques am Dienstag abend (Ortszeit) erklärte, wird Sandra Patricia Barrero unter anderem die Ermordung des Bürgermeisters von Coloncito, Giovani Álvarez, im vergangenen September zur Last gelegt. Ebenfalls am Dienstag wurde auch die Kolumbianerin Gloria Amparo festgenommen, die der im Drogenschmuggel aktiven Bande »Los Indios« angehören soll. Amparo wird von der niederländischen Justiz gesucht, weil sie für den Schmuggel von Rauschgift aus Kolumbien über Venezuela und die niederländische Kolonie Aruba nach Europa verantwortlich gewesen sein soll. Mit ihrer Festnahme steigt die Zahl der seit Jahresbeginn in Venezuela verhafteten ausländischen »Paten« auf 13, die meisten von ihnen stammen Polizeiangaben zufolge aus Kolumbien.

In seiner Erklärung zur Verhaftung Amparos hebt das Innenministerium in Caracas hervor, der Kampf Venezuelas gegen die Drogenmafia solle »der internationalen Gemeinschaft und speziell jenen Ländern als Beispiel dienen, die den höchsten Anteil an der Produktion und dem Konsum der Drogen weltweit haben und dadurch den Frieden in der Region gefährden.« Gemeint sind damit in erster Linie die kolumbianische Regierung sowie die USA, die als Schutzmacht des Regimes in Bogotá gelten.

Ein außerordentliches Gipfeltreffen der Außenminister aller Mitgliedsstaaten der Union Südamerikanischer Nationen (UNASUR) will am heutigen Donnerstag in Quito nach Auswegen aus der Krise suchen, die durch die Vorwürfe aus Bogotá ausgelöst wurden, wonach Venezuela kolumbianischen Guerilleros Zuflucht gewähre. Caracas will bei der Konferenz einen Friedensplan vorlegen, der nicht nur dazu dienen soll, die akute Zuspitzung zu beenden, sondern das Problem grundsätzlich zu lösen, indem der Bürgerkrieg im Nachbarland beendet wird. »Gerade in den letzten Jahren war Venezuela verschiedenen Angriffen ausgesetzt, obwohl es sich um einen Krieg handelt, der kolumbianischen Ursprungs ist. Seine einzige Lösung kann nicht nur sein, die regelmäßig auftauchenden Probleme zu überwinden. Diese Frage muß grundsätzlich angegangen werden«, sagte Venezuelas Außenminister Nicolás Maduro dem staatlichen Fernsehsender VTV. Diese Vorschläge seien von den südamerikanischen Regierung »außerordentlich« positiv aufgenommen worden, erklärte Maduro, der in den vergangenen Tagen eine Rundreise durch sieben Staaten der Region unternommen hatte.

Bogotá hingegen hat die venezolanischen Vorschläge bereits zurückgewiesen, obwohl Details noch gar nicht bekannt sind. Der scheidende Präsident Álvaro Uribe nannte die Initiative aus Caracas eine »Falle« und erklärte: »Wenn sie in Venezuela einen Friedensplan haben wollen, hier ist er: Sie müssen der Guerilla, die dort ist, sagen, daß sie sich demobilisieren soll, und dann die kolumbianischen Staatsanwälte ins Land lassen, um die Guerilleros mit allen gesetzlichen Garantien hierher zu holen.« Sein Außenminister Jaime Bermúdez warf Venezuela vor, sich in die inneren Angelegenheiten Kolumbiens einzumischen.

Bogotá hatte in der vergangenen Woche bei einer eilig einberufenen Sondersitzung der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) dem Nachbarland vorgeworfen, führenden Mitgliedern der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (FARC) und der Nationalen Befreiungsarmee (ELN) Unterschlupf zu gewähren. Kolum­biens OAS-Botschafter Luis Alfonso Hoyos legte dazu in Washington Fotos und andere Dokumente vor, die als Beweise für die Existenz von Guerillalagern in Venezuela dienen sollten. Caracas’ Vertreter Roy Chaderton wies diese jedoch zurück. Sie seien offenbar »aus dem Internet zusammenkopiert« worden; kein Gericht der Welt würde solche »Beweise« akzeptieren. Tatsächlich wies kurz darauf die Bolivarische Presseagentur aus Kolumbien darauf hin, daß einige der präsentierten Fotos bereits 2007 auf ihrer Homepage veröffentlicht worden seien und in Kolumbien aufgenommen wurden.

Erschienen am 29. Juli 2010 in der Tageszeitung junge Welt