Böse Absicht

Die Regierung Ecuadors hat am Dienstag (Ortszeit) die bisherige US-Botschafterin in Quito, Heather Hodges, zur »unerwünschten Person« erklärt und aufgefordert, das Land »so schnell wie möglich« zu verlassen. Damit reagierte Außenminister Ricardo Patiño auf eine am Vortag von der spanischen Tageszeitung El País veröffentlichte Wikileaks-Depesche der US-Vertretung vom 10. Juli 2009, in der sich die Diplomatin wenige Tage nach der Absetzung des damaligen Polizeichefs Jaime Hurtado Vaca mit der Lage in den Sicherheitskräften des südamerikanischen Landes auseinandersetzt. In der als »geheim« klassifizierten Mitteilung schrieb Hodges an Washington nicht nur, daß die Korruption in der ecuadorianischen Polizei »weitverbreitet und wohlbekannt« sei. Unter Berufung auf »Quellen« innerhalb der ecuadorianischen Sicherheitskräfte legte sie außerdem nahe, daß Ecuadors Präsident Rafael Correa bereits bei der Ernennung Hurtados im April 2008 von dessen »korrupten Aktivitäten« gewußt habe und »einen Polizeichef haben wollte, den er leicht manipulieren konnte«.

»Diese Behauptung ist nicht nur inakzeptabel, sondern bösartig und beängstigend«, reagierte das Kabinett von Staatschef Correa auf die Veröffentlichung mit einer von der staatlichen Nachrichtenagentur ANDES verbreiteten Stellungnahme. »Der Kampf der Regierung Ecuadors gegen die Korruption in bestimmten Polizeistrukturen war einer der Gründe für den Putschversuch vom vergangenen 30. September«, erinnert das Dokument und fordert von Washington »angemessene Genugtuung«.

Vor allem aber beunruhigt Quito die Unterwanderung der ecuadorianischen Polizei durch US-Stellen. Ausdrücklich wird in der Depesche auf »zahlreiche Berichte über interne Untersuchungen« der Polizei hingewiesen, die die Botschaft erhalten habe. Für Correa ist dies ein klarer Beweis, daß Washington die Polizei und das Militär Ecuadors infiltriert hat. Bereits 2009 waren zwei Beamte der US-Vertretung des Landes verwiesen worden, weil diese Gewährsleute in die Sicherheitsbehörden eingeschleust haben sollen. Kurz nach dem Putschversuch im vergangenen Herbst sprach Correa sogar davon, die US-Geheimdienste hätten Ecuadors Polizei »vollkommen unterwandert«.

Ecuadors Vizepräsident Lenín Moreno vermutet in den Entgleisungen der bisherigen Botschafterin »böse Absicht«, möglicherweise als Reaktion auf eine vom damaligen Polizeichef zu verantwortende Verhaftung oder Behandlung eines Verdächtigen, die der Diplomatin nicht gefallen habe. »Ich spekuliere nur«, sagte er dem örtlichen Rundfunksender Radio Caravana. Angesprochen auf die von der Diplomatin erhobenen Anschuldigungen gegen Hurtado Vaca sagte der Politiker, es gäbe nur zwei Möglichkeiten, »entweder sie stimmen, oder sie stimmen nicht«. Das herauszufinden sei Aufgabe der Justiz, bis dahin gelte auch für Hurtado die Unschuldsvermutung.

Washington verteidigt unterdessen die Botschafterin als »eine der talentiertesten und erfahrensten Diplomaten des State Department«. Dieses halte die Ausweisung von Hodges für »ungerechtfertig« und werde prüfen, wie es auf den Schritt der ecuadorianischen Regierung reagiere. Im Gegensatz dazu sagte Ecuadors Außenminister Ricardo Patiño, er gehe davon aus, daß die Ausweisung der Botschafterin die Beziehungen zu Washington nicht belaste. Es habe sich schließlich nur um »das persönliche Verhalten« der Diplomatin gehandelt.

Die Ausweisung von Hodges ist bereits die zweite durch Wikileaks ausgelöste diplomatische Krise, die das US-Außenministerium in diesem Jahr in Lateinamerika bewältigen muß. Erst im März hatte der US-Botschafter in Mexiko, Carlos Pascual, seinen Rücktritt eingereicht, nachdem im Dezember Depeschen veröffentlicht worden waren, in denen dieser die mexikanischen Streitkräfte als unfähig beschrieb.

Erschienen am 7. April 2011 in der Tageszeitung junge Welt