junge Welt, 20. April 2011

Blut für Öl

junge Welt, 20. April 2011Vor genau einem Jahr, am 20.April 2010, explodierte im Golf von Mexiko die Bohrplattform Deepwater Horizon und verursachte die bislang größte Ölpest aller Zeiten. Noch heute hat sich die Natur von dieser Katastrophe nicht erholen können. »Bei BP wird systematisch das Gewinnstreben über die Sicherheit der Beschäftigten, die Gesundheit der Anwohner von BP-Anlagen und den Schutz der Umwelt gestellt«, kritisiert Axel Köhler-Schnura, Vorsitzender der kapitalkritischen Stiftung ethecon. Auf seiner Hauptversammlung in der vergangenen Woche habe der Konzern bewiesen, daß er aus Fehlern nichts gelernt hat, so der kritische BP-Aktionär, dem von Sicherheitskräften der Zutritt zu der Konferenz in London verweigert worden war. »Statt dessen versucht der Konzern, jede Kritik zu unterbinden und kündigt im Namen der Konzernprofite neue umweltzerstörerische Projekte an.«

Ärger droht BP auch aus anderer Richtung. Die britische Tageszeitung The Independent veröffentlichte am Dienstag Auszüge aus geheimen Sitzungsprotokollen der Regierung des damaligen Premierministers Anthony Blair im Vorfeld des Irak-Krieges. Daraus geht hervor, daß für hochrangige Regierungsvertreter die wirtschaftlichen Interessen der Ölkonzerne entscheidend für den Beschluß zum Krieg waren. Im Oktober 2002, rund ein halbes Jahr vor Beginn der Invasion, unterstrich beispielsweise der damals im Außenministerium für den Mittleren Osten zuständige Edward Chaplin bei einer Sitzung, Shell und BP könnten es sich nicht leisten, längerfristig nicht im Irak vertreten zu sein, man müsse den britischen Unternehmen Handlungsmöglichkeiten in einem »Post-Saddam-Irak« offenhalten. BP selbst hatte damals öffentlich erklärt, »keine strategische Interessen« im Irak zu haben. Bei den internen Besprechungen hieß es von Konzernvertretern jedoch, der Irak sei »wichtiger als alles, was wir seit langem gesehen haben«.

Ansprechpartnerin für die Konzerne war im Kabinett die damalige Handelsministerin, Baroness Elizabeth Symons. Nach ihrer Amtszeit wechselte sie zunächst in eine britische Handelsbank, die glänzende Geschäfte beim Wiederaufbau im Irak machte. Anschließend ging sie als »unbezahlte Beraterin« zur libyschen Nationalen Wirtschaftsentwicklungsbehörde. Dort vermittelte sie BP libysche Lizenzen für Bohrungen im Mittelmeer, die der Konzern nach der Katastrophe im Golf von Mexiko aufnehmen wollte. Ihren Posten räumte sie erst im Februar, als in Libyen der Aufstand gegen Ghaddafi begann.

Abgelöst wurde die Freifrau nicht nur von britischen Geheimagenten, sondern einer Meldung der Nachrichtenagentur dapd vom Dienstag zufolge auch von offiziellen Militärberatern. Deren Entsendung nach Libyen zur Unterstützung der Aufständischen kündigte Großbritanniens Außenminister William Hague am Dienstag an. Die erfahrenen Offiziere der Streitkräfte sollten »britische Diplomaten« verstärken, die in der Stadt Bengasi bereits mit den Ghaddafi-Gegnern kooperierten. Hague hob hervor, daß den Rebellen keine Waffen geliefert würden oder Unterstützung bei militärischen Operationen gegeben werde. Sollte das diesmal stimmen, übernehmen das sicherlich weiterhin die Verbündeten. Erst in der vergangenen Woche war bekannt geworden, daß etwa Katar die Aufständischen mit Panzerabwehrraketen beliefert hat.

Erschienen am 20. April 2011 in der Tageszeitung junge Welt und bei Nedaye Azadi